Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
die Arme um die Dämonin. »Laßt sie in
Frieden!«
»Erregt Euch bitte nicht«, sagte der Teufel. »Es ist doch nur zu Eurem Besten. Mars braucht noch
keine Konkubine, wenn er mit Euch zusammenkommt.«
»Ihr versteht wahrlich nichts von Ehre«, widersprach ihm die Prinzessin. »Mym hat sein Wort
gegeben.«
Der Höllenfürst wandte sich an Mym. »Begreift Ihr das, Mars? Warum sollte eine liebende Frau
einer Rivalin zu Hilfe eilen?«
Der Prinz wußte nicht, was er denken sollte. Er sah der Reihe nach die anderen Inkarnationen an,
erfuhr von denen aber keine Unterstützung. Schon wieder eine Entscheidung, die er ganz allein
treffen mußte. Warum bestand Satan so darauf, Lila zurückzuerhalten? Nur aus Rache für ihren
Verrat? Andererseits hatte der Satan sich geschlagen gegeben. Was wollte er mehr? Was scherte ihn
da noch eine solche Kleinigkeit wie das Schicksal einer Dämonin?
Eine Kleinigkeit.
Beachte auch Kleinigkeiten mit aller Aufmerksamkeit , rieten die Fünf Ringe.
»Nein, Ihr sollt Lila nicht haben«, entschied Mym.
»Ihr habt ein zu weiches Herz«, sagte der Erzversucher. »Eine Dämonin bleibt eine Dämonin, und
Freundlichkeit vergilt sie mit Treubruch.«
Mym gab keine Antwort, sondern hob das Schwert. Der Sekundenzeiger raste.
»Aber das ist doch vollkommener Irrsinn!« erregte sich Satan. »Ihr riskiert die ganze Welt für
dieses Ätherwesen?«
Zehn Sekunden vor zwölf. Eine furchtbare Nacht senkte sich über die Erde.
Fünf Sekunden. Vier Sekunden. Drei Sekunden.
Satan verschwand. Er gab sich geschlagen.
Der Zeiger stoppte um zwei Sekunden vor zwölf.
Lila starrte den Prinzen an. »Warum habt Ihr das getan? Um meinetwillen doch nicht? Soviel
schuldet Ihr mir nicht!«
Mym stieß das rote Schwert in den Boden. Die Zeiger der Uhr setzten sich wieder in
Bewegung.
Doch diesmal liefen sie rückwärts.
»Ich habe das getan, was ich tun mußte«, erklärte der Prinz.
»Aber Ihr habt Euren Sieg über den Teufel errungen«, sagte die Dämonin. »Ich war doch für Euch
nur noch ein Klotz am Bein.«
»Nein«, antwortete die Prinzessin. »Als Königstochter weiß ich, daß Prinzen Konkubinen benötigen.
Schließlich werde ich von Zeit zu Zeit ganz froh sein, etwas Ruhe zu haben. Und dann mag sich Mym
an Euch wenden. Er hat Euch aber aus einem viel wichtigeren Grund beigestanden. Ihr habt ihm
geholfen, die Schwachstelle des Höllenfürsten zu finden. Dafür hat er Euch sein Wort gegeben. Und
das Wort eines Prinzen ist heilig.«
Mym schaute die Prinzessin liebevoll an und nickte: »Ich liebe Ligeia, und ich bin bei Lila im
Wort. Ich versuche nun zu erklären, warum ich mich mit dem Teufel auf keinen Handel eingelassen
habe. Das Buch der Fünf Ringe lehrt, daß man dem Weg folgen muß. Man darf sich nie von ihm
abbringen lassen, nicht das kleinste Stück. Was einem am Anfang als winzige Abkehr von wenig
Belang erscheinen mag, weitet sich im Lauf der Zeit zur großen Abweichung. Ich wollte auf dem Weg
bleiben, und daher hätte der kleinste Kompromiß mit Satan mich von ihm abgebracht.«
Luna trat vor. »Der Teufel ist der Erzversucher. Er trachtete immerzu danach, andere zu
verführen. Und wenn er beinahe besiegt scheint, ist er am gefährlichsten. Er bietet gewaltige
Belohnungen, denn seine Mittel sind nahezu unerschöpflich. Wenn einer sich auf einen Kompromiß
mit ihm einläßt, und sei er noch so nichtig, triumphiert der Höllenfürst. Denn er weiß, daß der
Betreffende beim nächsten Mal auch auf einen Kompromiß eingehen wird - und so geht es weiter, bis
Satan ihn völlig in der Hand hat. Mars hat den ersten Kompromiß abgeschlagen und damit dem Teufel
bewiesen, daß er sich nicht von ihm einwickeln läßt. Und das, nicht etwa der Weltuntergang, ist
Myms wahrer Sieg.«
Der Prinz lächelte. Sie hatte verstanden. Und er begriff jetzt, warum sie im Zentrum des
titanischen Ringens zwischen Gut und Böse stand.
Wenn die Zeit für eine schwerwiegende Entscheidung nahte, würde Luna zur Stelle sein, würde
wiederum verstehen und würde den Mut aufbringen, die richtige Entscheidung zu treffen.
ENDE
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