Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
war real. War real für sie und war
real für die Gäste.
Orbs Zweifel zerrannen so rasch, wie der Chor sich auflöste. Sie glaubte zum ersten Mal dem
Höllenfürsten, und dafür liebte sie ihn noch mehr.
Große Lücken traten im Chor auf, und wenige Augenblicke später war er ganz verschwunden.
Alle Dämonen waren auf den Status von verdammten Seelen gelangt.
Die letzte Strophe mußte der Teufel allein singen.
Er richtete die Augen wieder auf Orb, und der Schein um ihn wurde noch intensiver. Er kam Orb nun
vor wie ein Gott. Ihre Blicke versanken ineinander.
Das Licht um ihn herum wurde so gewaltig, daß es Orb vorkam, als stünde er in Flammen. Ihre Augen
tränten, und sie wußte nicht, ob das vom grellen Schein hervorgerufen wurde oder ob die Rührung
sie übermannt hatte.
Doch was war das? Was geschah da mit Natasha?
Als Satan die letzte Zeile sang, war er im hellen Schein kaum noch auszumachen. Orb blinzelte und
wischte sich die Tränen aus den Augen. Wo war er?
Ein Leuchten wie von einem Blitz, und Satan war verschwunden.
Orb riß es vom Sitz. »Satan! Geliebter Natasha! Zeig dich mir! Wo bist du?« Ihre Schreie
erfüllten die Kathedrale, und sie bekam kaum noch mit, daß die anderen ebenso verwirrt waren wie
sie.
Mym trat neben sie. »Er ist verschwunden, Gäa.«
»Aber... aber...«
»Er war dazu schon in dem Moment verurteilt, als er mit dem Lied begann. Er wußte, welches Ende
ihm blühen würde, aber dennoch hat er es auf sich genommen. Er konnte nicht anders. Seine Liebe
zu dir war so groß, daß er über sich selbst hinausgewachsen ist. Nun hat er dich am Altar allein
gelassen und dich damit der Welt zurückgegeben.«
»Es war noch viel früher«, sagte Niobe, die sich nun neben ihre Tochter stellte. »Sein Untergang
stand fest, als er nicht mehr anders konnte, als sich in dich zu verlieben.«
»Dann hat er einmal nicht gelogen«, flüsterte Orb. »Dann hat er mich also wirklich
geliebt.«
»Das hat er getan, mein Kind. Er hat es vielleicht selbst nicht geglaubt, daß ihm das einmal
möglich sein würde. Welche Schmerzen muß er durchlitten haben. Er wußte, daß er die
Hochzeitszeremonie niemals durchstehen könnte, aber er wollte der Vermählung mit dir so nahe wie
irgend möglich kommen. Er hat dich so sehr geliebt. Und um deine Liebe zu erringen, hat er alles
riskiert. Du hast ihm mit deinem Lied deine Liebe offenbart, und das war mehr, als er sich je
erhofft hatte. So ist es ihm dann nicht so schwergefallen, den eigenen Untergang einzuläuten.
Doch nun, mein Liebes, bist du Witwe.«
»Dieser grelle Schein, der zum Schluß unerträglich war...«, fragte Orb wie betäubt.
»Es war das Licht der verdammten Seelen, die von den Fesseln der Hölle befreit wurden. Satan
konnte sie nicht länger halten. Mit jedem Ton seines Liedes verlor er mehr von seiner Gewalt über
sie. So sehr hat er dich geliebt, daß er für deine Liebe bereit war, alles andere
aufzugeben.«
Orb betrachtete nachdenklich den leeren Stuhl, der für Ihn reserviert war. Hatte Gott diesmal
wirklich nicht eingegriffen? Ganz sicher war Ihm klargewesen, was eine Verbindung von Gäa und
Satan für Ihn bedeutet hätte...
Und plötzlich begriff Orb den ganzen Verlust, den sie erlitten hatte. Sie brach in den Armen
ihrer Mutter zusammen und konnte nur noch schluchzen.
»Aber, aber, mein Kind«, murmelte Niobe. »Wenn du weinst, weint die Welt mit dir.«
Und tatsächlich fiel Regen auf die Erde. Doch diesmal erwuchs daraus kein verheerendes Unwetter,
und bald würde der Sonnenschein zurückkehren.
Nun wurde es für Orb Zeit, sich mit ihren Amtsgeschäften vertraut zu machen. Und diesmal wollte
sie alles tun, um eine wirkliche Grüne Mutter zu werden.
ENDE
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