Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
suchte vergeblich nach dem Pool, in dem sie die Meerjungfrau
zurückgelassen hatte. Die ganze Gegend lag unter glühender Lava begraben. Sie war zu spät
gekommen.
Orb versetzte sich nach Südfrankreich.
Der Berg, auf dem die Zigeunerfamilie Schutz gefunden hatte, stürzte plötzlich in einen
gewaltigen Abgrund. Die Nische, die sich Tinka, ihr Mann und das Baby zurückgezogen hatten, wurde
mit in die Tiefe gerissen.
Orb vergrößerte sich und verfolgte entsetzt, was sich auf allen Kontinenten tat. Die Welt ging
unter.
Das wenige, was die gewaltigen Erdbeben übrigließen, vernichteten endlose Lavaströme und ein nie
gekannter Ascheregen. Die Erdkruste legte sich in immer neue Falten, bis sie der Haut eines alten
Elefanten glich. Immer neue Rauchwolken und Aschestöße erfüllten den Himmel und brachten ewige
Nacht über die Welt.
Orb war starr vor Entsetzen. Sie ballte die Fäuste und fühlte sich nur noch ohnmächtiger.
Sie kehrte zu Jonas zurück.
Doch der war nicht mehr. Die titanischen Erdkräfte waren selbst für den riesigen Wal zuviel
gewesen.
Natürlich fand Orb keinen ihrer Freunde wieder.
Jonas war zwischen immensen Erdblöcken zermalmt worden.
Jezebel hätte als Dämonin dem Untergang entkommen müssen. Vielleicht war sie im Chaos verloren
und fand keinen Ausweg mehr.
Orb war ganz allein.
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16. Kapitel
Hochzeit
Nach unermeßlich langer Zeit bemerkte Orb, daß sie Gesellschaft bekommen hatte. Eine Spinne
ließ sich vor ihr an einem langen Faden vom Himmel herab.
»Mutter!« rief sie. Es konnte nur Schicksal sein, denn auf der Erde lebten keine Spinnen
mehr.
Niobe zeigte sich ihr in Menschengestalt. »Wir müssen miteinander reden, mein Kind.«
»Ist es dafür nicht ein bißchen spät?« entgegnete Orb niedergeschlagen. »Sieh nur, was ich
angerichtet habe. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben.«
»Noch ist es nicht zu spät. Chronos kann immer noch helfen.«
»Chronos hat erklärt, ich selbst müßte die endgültige Entscheidung treffen.«
»Das wirst du ja auch. Komm, begleite mich.«
Orb ließ sich willenlos von ihrer Mutter führen.
Niobe brachte sie in die Residenz von Chronos, wo sich bereits die anderen Inkarnationen
versammelt hatten.
»Wir befinden uns in einer kritischen Phase«, kam Mym ohne Umschweife zur Sache. »Der ewige
Konflikt zwischen Gut und Böse hat einen Zustand erreicht, in dem seine Balance empfindlich
gestört ist. Wenn ich es recht überblicke, hat unsere Gäa drei Möglichkeiten: Sie kann die Welt
in dem Zustand belassen, in dem sie sich jetzt befindet...«
»Nein, niemals!« rief Orb. »Ich habe alles Leben ausgelöscht. Es ist mein fester Wille, soviel
Schaden wie möglich zu beheben, um danach in Schande mein Amt zur Verfügung zu stellen.«
»Zweitens: Sie singt die finale Wiederholung des Liedes«, fuhr Mars fort, als hätte Orb nichts
gesagt.
»Aber jede Wiederholung richtet neue Verheerung an!« widersprach Orb. »Ich wage gar nicht daran
zu denken, was die finale Wiederholung bringen wird!«
Da beugte sich Thanatos zu ihr vor: »Ihr habt die Elemente des Chaos hervorgerufen. Jede
Wiederholung hat ein neues Element bestärkt. Beim ersten Mal war es Wasser, dann Luft, dann
Feuer...«
»Die Elemente!« entfuhr es Orb. »Wasser - die Flut! Luft - die Stürme! Aber Feuer, nein, es gab
keine Feuersbrunst...«
»Ihr habt diese Wiederholung ja mit einer Variante versehen, und das hat das Gegenteil zur Folge
gehabt: Statt Feuer kam Kälte.«
»Ja«, sagte Orb langsam. Allmählich wurden ihr die Zusammenhänge klar. »Als ich das Lied zum
vierten Mal sang, habe ich das Element der Erde bestärkt. Es kam zu Beben, Vulkanausbrüchen
und... und alles wurde zerstört.«
»Das fünfte Element ist die Leere«, erklärte Tod. »Dieses Element wird die Welt in ihren
ursprünglichen Zustand zurückführen.«
»Das totale Chaos«, ergänzte Niobe, »nämlich die völlige Umkehrung, bis der Urzustand wieder
erreicht ist.«
»Das hieße, die Welt würde wieder neu entstehen? Gott und Satan würden ihren ewigen Konflikt von
neuem beginnen?« Orb war ehrlich verblüfft.
»Alles, was in den letzten Jahrtausenden geschehen ist, wäre nicht mehr, als hätte es niemals
existiert? Wie sollte ich so etwas jemals zulassen dürfen?« Jetzt endlich verstand sie, warum
Satan ihr erklärt hatte, das Lied des Chaos sei die vernichtendste Waffe gegen ihn. Alles, was er
bis heute erreicht hätte, wäre vergangen. Er müßte wieder ganz von vorn anfangen. Orb
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