Inkasso Mosel
fünfhundertund … , ich bin mir nicht ganz sicher, Uli, läute bitte noch mal.«
Der Zufallsgenerator landete bei einer anderen Melodie.
»Ah, ja, Johann Strauß Junior«, konstatierte Jo. »An der schönen blauen Donau.«
»Lass’ mich endlich rein, es regnet!«
»Ganz eindeutig eine Aufnahme des Philadelphia Orchestra aus den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, für einen Moment dachte ich, es wäre Herbert von Karajan mit den …«
»… das ist billigster Elektronik-Kitsch und obendrein Wiener Blut«, schallte Ulis Stimme aus der Sprechanlage. »Unter das sich bald dein Blut mischen wird, wenn du nicht auf der Stelle die Tür öffnest!«
»Wohl nicht gut gelaunt?«, fragte Jo, als Uli patschnass in die Diele stapfte.
»Bis eben war ich noch bester Laune.« Uli stellte geräuschvoll eine große Kühltasche ab.
»Oh, was hast du denn Feines mitgebracht?«
»Nicht ein Bissen davon ist für dich.« Uli warf seine nasse Jacke über die Kühltasche.
Drei Stunden später waren zwei weitere Zimmer fertig renoviert. Uli und Jo hatten sich wieder versöhnt und verwandelten den Tapeziertisch in eine opulente Vesper-Tafel. Als Walde mit zwei Flaschen Wein aus dem Keller kam, hatten es sich die beiden schon gemütlich gemacht.
»Was macht der Harras-Mord? Habt ihr den Balzer schon eingelocht?«, fragte Uli.
»Machst du ein Extrablatt ?«, entgegnete Walde.
»An der Story ist schon die Tageszeitung dran, außerdem kriege ich dafür keine Werbekunden. Ich habe den Polizeibericht gelesen, da stand nicht viel Aufregendes drin. Kein Wort über die Durchsuchung bei Balzer.«
»Und woher weißt du davon?«
»Mindestens ein halbes Dutzend Leute in der Gerüchteküche haben mir davon erzählt.«
»Wovon?«, fragte Jo.
»Walde weiß das besser. Der Balzer wurde gefilzt, weil er wahrscheinlich was mit der Hanna Harras hatte.«
»Und was sagt seine Frau dazu?«, fragte Jo.
»Die wird nicht erbaut sein, wenn die Geschichte an die große Glocke gehängt wird. Dass ihr Mann notorisch fremd geht, machte ihr scheinbar nichts aus, aber so eine öffentliche Geschichte ist was ganz anderes.«
»Lässt sie sich scheiden?«, fragte Walde.
»Kann man nie wissen, falls Balzer ins Schleudern kommen sollte. Auch wenn er nach außen als Baulöwe auftritt, so basiert vieles in seiner Firma auf dem Vermögen seiner Frau.«
»Hört sich an, als habe er sie wegen ihres Geldes geheiratet«, sagte Jo.
»Und sie ihn, weil er mächtig Sexappeal hatte.«
»Der war doch Basketballer bei der TVG und spielt heute noch jeden Tag Tennis. Beim Stadtlauf ist er den Halbmarathon in eineinhalb Stunden gelaufen«, erzählte Uli. »Aber ich kann sein falsches Lächeln trotzdem nicht ausstehen.«
Walde hatte den Wein eingeschenkt und prostete seinen Freunden zu: »Auf die bisher gut gelaufene Renovierung und auf die fleißigen Helfer, danke!«
Als er sein Glas abgesetzt hatte, fragte Jo: »Stimmt es, dass dieser Balzer mal in deiner Schulklasse war, Walde?«
»Von der fünften bis zur zehnten Klasse. In Sport war er ein absolutes As. In den restlichen Stunden hat er sich geschont.«
»Hat er bei euch auch schon den Würgegriff drauf gehabt, wegen dem er später bei der TVG öfter vom Platz geworfen wurde?«
»Er hat mich auch mal so am Kragen gehabt«, sagte Walde. »Ich dachte, er bricht mir das Kreuz.«
»Das war sein Mittel gegen Größere. Das Foul im Pokalendspiel gegen diesen Zweimeterzehn-Center von Brand Hagen ist legendär«, sagte Uli. »Aber zu Balzers Ehrenrettung muss auch gesagt werden, dass der ihm vorher per Ellenbogencheck die Nase gebrochen hat.«
»Für einen Basketballer schien er mir eigentlich zu klein«, fuhr Walde fort. »Aber er war ein begabter Sportler mit Technik, Kraft und gewaltigem Biss.«
»Diesen Biss hat er heute noch«, stellte Uli fest.
Mittwoch, 27. November
Der Spachtel war stumpf von der zähen Tapete, die sich ebenso schnell wieder an der Schneide festsetzte, wie Walde sie mühsam abkratzte. In den drei Stunden, in denen er sich seit sieben Uhr früh bereits abmühte, hatte er kaum mehr als einen Quadratmeter Putz freigelegt. Das einzig Interessante an der Arbeit war, die verschiedenen Perioden des letzten Jahrhunderts anhand der Tapetenschichten zu verfolgen. Die Textiltapete rechnete er den 80-er-Jahren zu, die Goldornamente den 70-ern, die blassen Farben den 50-ern. Die unterste Schicht bildete gar eine Zeitung, die auf dem Kopf stehend an der Wand klebte. Er hatte ein Inserat
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