Inkasso Mosel
Reifenquietschen.
»Ich meine nicht dich«, Gabi sprach etwas lauter.
»Du bist mit dem Auto unterwegs?«, fragte Walde.
»Ja, so ein Capriodepp ist gerade vor mir eingeschert.«
»Du fährst doch nicht selbst?«
»Stell dir mal vor, der fährt bei diesem Scheißwetter noch mit offenem Verdeck!«
»Aber du benutzt doch hoffentlich die Freisprechanlage.«
»Und eine Sonnenbrille hat er auch noch auf. Dabei hat sich die Alte schon seit einer Woche nicht mehr blicken lassen.«
»Wer hat sich nicht mehr blicken lassen?«
»Och, Walde, du stehst auf der Leitung. Am besten hole ich dich ab. Dann fahren wir zu Harras.«
»Ich muss heute noch ein Zimmer fertig tapezieren, vorher kann ich hier nicht weg.«
Walde spürte, wie nach dem Gespräch schlechte Laune in ihm aufstieg. Lustlos kleisterte er die Tapete ein und fluchte, als er beim Zusammenklappen erst beim dritten Mal die Naht traf. Er wischte mit einem Lappen den Tapeziertisch sauber und schaute in den Garten, wo welke Blätter auf dem moosigen Rasen klebten. Er musste mit Gabi reden. Sie war keine schlechte Polizistin, aber ihre Umgangsformen gingen ihm mächtig auf den Geist.
Zwei Minuten später erklang eine Sequenz aus Robert Schumanns Träumerei. Walde versuchte von der Leiter aus, eine frische Bahn unter der Decke anzusetzen. Die Klingel gab ,Freude, schöner Götterfunken zum Besten.
»Shit!« Walde eilte zum Türöffner.
Gabi stöckelte herein: »Tut mir Leid, ich hab’ keinen guten Parkplatz gefunden. Wir sollten möglichst bald aufbrechen. Harras ist zu Hause, ich hab’ uns angemeldet.«
Walde betrachtete ihre spitzen Absätze. Er befürchtete Abdrücke im Parkett.
»Gefallen dir die Schuhe?«
»Nein …«
»Du bist aber heute Morgen gar nicht charmant.«
»Nein, ich dachte nur, deine Schuhe könnten Abdrücke im Holzboden …«
»Das wird echt schön!«, unterbrach ihn seine Kollegin. »Aber die Tapete ist nicht ganz gerade.« Sie deutete auf die Bahn, bei der Walde gestört worden war. Sie hatte sich unter der Last der noch gefalteten unteren Hälfte gelöst und hing nun etwa einen Meter schräg unter der Decke. Draußen hupte jemand.
Walde rückte die Tapete in die richtige Position und strich sie mit einer Bürste glatt. »Woher hast du meine Adresse?«
»Von Grabbe. Können wir dann?«, drängte Gabi. Wieder hupte es draußen.
»Darf ich mich noch umziehen?« Walde schnappte sich seine Kleider und ging Richtung Bad.
»Du kannst dich ruhig hier bei mir umziehen, ich habe schon mehr als einen nackten Mann gesehen«, rief Gabi hinter ihm her.
Als sie aus der Tür kamen, war ein lautes Hupkonzert im Gange. Gabis Z3 versperrte die Einbahnstraße. Hinter ihr stand eine Reihe von Fahrzeugen, darunter ein Stadtbus. Die Fahrer waren teils ausgestiegen und schimpften, als Gabi auftauchte. Sie stöckelte schnurstracks auf einen kräftigen Mann im grauen Kittel zu, der direkt hinter ihrem Auto neben einem Lieferwagen stand.
»Hast du die ganze Zeit da gestanden?«, rief Walde. Er sah, wie Gabi dem Mann etwas zurief, was Walde nicht verstand, und ihre Handtasche öffnete. Sie ließ ihn hineinschauen. Der Fahrer stieg wortlos in seinen Lieferwagen und traute sich nicht mehr, über das Armaturenbrett hinauszusehen.
»Gabi, nun komm’ endlich!«, rief Walde, während er versuchte, seine Beine im Wagen unterzubringen. Mit Schaudern registrierte er, dass das Verdeck offen war.
»Das musste mal gesagt werden.« Gabi ließ sich auf den Sitz plumpsen und startete den Wagen.
»Ich will nicht wissen, was du dem armen Mann erzählt hast«, Walde beeilte sich mit dem Anschnallen, schaffte es aber nicht mehr rechtzeitig, bevor die Reifen des BMW auf dem Pflaster durchdrehten. »Ich muss mal mit dir reden.«
»Schieß los.«
»Nicht jetzt.«
Gabi bog im dritten Gang auf den Simeonstift-Platz ein. Der Wagen schleuderte über drei Spuren und kam dem angrenzenden Busparkplatz bedenklich nahe. Das Gebläse pustete volle Kanne warme Luft aus dem Fuß räum hoch.
»Ist dir aufgefallen, dass wir November haben?« Walde schaute zu Gabi hinüber und bemerkte erstaunt, dass sie inzwischen Kopftuch und Sonnenbrille trug.
»Wem musst du eigentlich ständig beweisen, dass du die ruppigsten Manieren der ganzen Trierer Polizei hast?«
»Das hab’ ich mir bei der Sitte so angewöhnt.«
»Das kann vielleicht im Rotlichtmilieu von Nutzen gewesen sein, aber sonst ist das nur kontraproduktiv, nervend und, was weiß ich … einfach idiotisch.«
»Jetzt
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