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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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hatte gehofft, sie an Weihnachten zu sehen.«
     
    Auf der Rückfahrt begann es zu regnen und Gabi musste das Verdeck schließen.
    »Weißt du mehr über diesen Roland?«, fragte Walde, der versuchte, seinen Sitz etwas weiter nach hinten zu verstellen.
    »Ich habe mit ihm telefoniert. Seine Tübinger Nummer war in Hannas Notizbuch. Er hat angeblich vorgestern Abend zusammen mit zwei Kommilitonen für eine Klausur gebüffelt.«
    »In Tübingen, den ganzen Abend?«
    »Bis 23 Uhr«, ergänzte Gabi. »Da hätte er nicht mehr zur Tatzeit von Tübingen nach Trier kommen können. Aber ich lasse es von den Kollegen dort überprüfen.«
    Sie zog, mit einer Hand steuernd, ihren Lippenstift nach und warf einen prüfenden Blick in den Innenspiegel.
    »Harras war ganz schön einsilbig«, kommentierte sie die spärlichen Auskünfte des Richters. »Ich habe den Eindruck, dass er total abwesend war.«
    »Ich habe schon Leute erlebt, die gelacht haben, als sie vom Tod eines nahen Verwandten erfahren haben«, sagte Walde.
    »Waren es die Erben?«
    Walde schüttelte den Kopf. »Lachen und Weinen liegen ganz dicht beieinander. Manchmal ist der Schock so groß, dass man sich nicht mehr unter Kontrolle hat.«
    »Harras sah aus wie ein Gespenst.« Gabi bemerkte nicht, dass die Ampel auf Rot umsprang und fuhr weiter. Als ein Autofahrer, der ihretwegen bremsen musste, hupte, gestikulierte sie wild mit den Armen.
    »Die war rot«, sagte Walde. In diesem Moment klingelte sein Telefon.
    Doris war dran: »Wo bist du?«
    »Im Auto unterwegs.« Um weiteren Fragen zuvor zu kommen, erkundigte er sich: »Was sagt der Ultraschall?«
    »Es dauert nicht mehr lange. Alles in Ordnung, das Kind liegt noch richtig. Ich hatte befürchtet, es hätte sich gedreht. Arbeite nicht zu viel!«
    Nachdem Doris aufgelegt hatte, überlegte er, was sie mit der Bemerkung gemeint haben könnte. Wusste Sie, was er tat?
    Gabi fragte: »Was war mit dem Motorrad?«
    Walde berichtete ihr, was er von Uli erfahren hatte.
    »Und der Sohn hat seither kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben?«
    »Soviel ich weiß, nein.«
    »Schöne Scheiße.«
    *
    Die stupide Arbeit ließ Walde ungehindert seinen Gedanken nachhängen. Richter Harras war sicher einmal ein glücklicher Familienvater mit Frau und zwei Kindern gewesen. Er hatte einen angesehenen Beruf, der ihm obendrein noch Freiraum für die Familie ließ. Sie lebten in einem ruhig und doch zentral gelegenen großen Haus. Dann verschwand der Sohn spurlos. Die Frau kam nicht über den Verlust hinweg. Und nun wurde die Tochter ermordet. Wie sollte der Mann damit fertig werden?
    Kurz nach zwei Uhr nachmittags traf Jo in der neuen Wohnung ein.
    »Hast du schon frei?«
    »Ich habe die Mittagspause durchgearbeitet«, antwortete Jo.
    »Hunger?«, fragte Walde. »Soll ich etwas zu essen besorgen?«
    »Nö, ich hab’ was gegessen und Marie will heute Abend noch was leckeres kochen.«
    »Ich dachte, du hast die Mittagspause durchgearbeitet.«
    »Ich hab’ mir eine Pizza bringen lassen, und da alle dachten, ich wäre in der Pause, konnte ich in Ruhe in meinem Büro essen.«
    »Aha, und wie ist es mit einem guten Schluck?«
    »Wenn es denn wirklich ein guter Schluck ist, sag’ ich nicht nein.«
    Während Jo sich umzog, holte Walde eine Flasche aus dem Keller und schenkte ihm ein Glas ein. Er drehte die Flasche so, dass Jo das Etikett nicht lesen konnte.
    Jo schlürfte die ersten Tropfen und hielt sie eine Weile im Mund, bevor er schluckte. »Kein ganz junger, das ist schon mal klar.« So begann er die Ermittlung des Jahrgangs, was für ihn zu den Fähigkeiten eines Kommissars für Reblausbekämpfung dazugehörte.
    Jo nahm einen weiteren Schluck: »Das kann nur ein 1996er sein. Stimmt es oder hab’ ich recht?«
    »Wie hast du das rausgefunden?«
    »Du brauchst ein gutes Gedächtnis, eine sensible Zunge und musst von jedem Jahrgang das ein oder andere Fläschchen getrunken haben. Bei dem hier«, Jo hielt das Glas gegen das Licht, »handelt es sich zum einen um eine Spätlese und zum anderen um einen Wein, der älter als fünf Jahre, aber noch keine zehn Jahre alt ist. Längst nicht in jedem der fraglichen Jahrgänge gab es Spätlesen, und der 96er hat obendrein einen ganz typischen Geschmack.«
    Während Walde anerkennend nickte, spielte die Wohnungsklingel eine neue Melodie.
    Jo stellte sein Glas ab: »Ich mach’ auf.«
    »Hallo?«
    »Uli hier!«
    »Das war die Sonate Nr. 16 in C-Dur mit Glenn Gould am Klavier, Köchelverzeichnis Nummer

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