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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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krieg’ dich aber wieder ein«, maulte Gabi. Sie schnaubte eine Weile, sichtlich bemüht, sich zu beherrschen. Als ihre Atmung sich wieder beruhigt hatte, fragte sie mit halblauter Stimme: »Ist es wirklich so schlimm?« Dabei überfuhr sie eine rote Ampel.
    »Noch schlimmer«, entgegnete Walde. »Du fährst auch noch wie ein Henker.«
    »Mein Vorgänger Harry hat auch einen ziemlich heißen Reifen gefahren.«
    »Erstens ist Harry hoffentlich bald wieder im Dienst und zweitens ist er nur schnell gefahren, wenn es darauf ankam.«
    »Okay. Was soll ich tun? Ich kann nicht von heut’ auf morgen vom Saulus zum Paulus werden.«
    »Mein Vater hat immer gesagt ›Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung‹, da ist was dran. Versuche doch einfach mal, deine Gewaltausbrüche nur zu denken.«
    »Du meinst als so eine Art Gewaltfantasie?«
    Walde nickte: »Und noch ein Tipp: Zähl immer erst bis zehn.«
    »Warum denn das?«
    »Zehn Sekunden können ausreichen, sich wieder halbwegs in den Griff zu kriegen.«
     
    In der Auffahrt zu Richter Harras’ Haus schlitterte Gabis Wagen bis knapp an den chromglänzenden Bullenfänger eines gewaltigen Dodge mit Koblenzer Kennzeichen heran. Als Walde und Gabi ausstiegen, entdeckten sie hinter dem Pickup einen Haufen gespaltener Holzscheite. Auf der Ladefläche lagen verstreute Reste dunkler Baumrinde.
    Gabi stapfte in den Carport hinein, wo der Wagen des Richters stand.
    »Der hat eine Menge Holz in der Hütte.« Sie strich an den Scheiten vorbei, die rings um den Wagen an den Bretterwänden aufgeschichtet waren. Walde blieb draußen stehen.
    »Was haben wir denn hier?«, hörte er Gabi rufen. »Eine 1000er Yamaha hätte ich dem ollen Harras gar nicht zugetraut.«
    Walde folgte ihr durch den Spalt zwischen Holz und Wagen und erblickte dahinter ein verstaubtes Motorrad, das offensichtlich schon seit Jahren dort stand.
    »Das hat wohl seinem Sohn gehört«, sagte Walde. »Es ist eine längere Geschichte, die ich dir später erzählen werde.«
    Als die beiden aus dem Carport kamen, sahen sie, wie Richter Harras sich an der Haustür von einem weißhaarigen Mann verabschiedete, der ihnen gleich darauf in ausgelatschten Cowboystiefeln entgegenkam.
    »Soll ich Sie rauslassen?«
    »Das wäre nett, schöne Frau«, sagte der Mann galant und setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
    In Anspielung auf den Stau, den sie vor Waldes Tür verursacht hatte, sagte Gabi: »Ich will ja niemanden unnötig aufhalten.«
    »Mit Verlaub«, der Cowboy kletterte nach oben in seinen Wagen. »Meinen Dodge kann man schlecht aufhalten, und mich erst recht nicht.«
    Mit röhrendem Motor fuhr er dem rückwärts rangierenden BMW hinterher.
     
    Harras war an der Haustür stehen geblieben und wartete zusammen mit Walde auf Gabi.
    »Netter Holzfäller«, sagte Gabi, als sie zurückkam und sie gemeinsam ins Haus gingen.
    Harras führte sie in das Zimmer, im dem Walde auch am Vortag empfangen worden war. Ohne den Besuchern etwas anzubieten, nahm der Richter am Kopfende des Tisches Platz. Walde und Gabi setzten sich nebeneinander an eine Längsseite. Auf einer Kommode stand ein gerahmtes Foto, auf dem Hanna und ein ebenfalls blonder junger Mann in die Kamera lächelten.
    »Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie schon wieder aufsuchen, aber Ihnen brauche ich ja nicht zu erklären, dass wir nur unsere Arbeit tun und jeder Spur nachgehen müssen.«
    Der Angesprochene nickte kaum merklich. Walde kannte Harras nicht gut genug, um Vergleiche ziehen zu können. Der Mann war aber sicher nicht immer so blass. Ohne viel Beobachtungsgabe war zu sehen, dass er letzte Nacht nicht geschlafen hatte. Die Haut unter den Augen des Richters war mehr als fingerbreit dunkel gefärbt.
    »Wir haben noch ein paar Fragen«, fuhr Walde fort. »Ich weiß, dass das sehr, sehr schwer für Sie ist. Können Sie uns dennoch sagen, mit wem Ihre Tochter Umgang hatte? Freunde, Freundinnen, Kommilitonen.«
    »Mit dem Roland war sie befreundet, der war oft hier, aber das ist vorbei«, sagte Harras.
    »Ist es dieser hier?«, Gabi zog einen Briefumschlag aus der Tasche und zeigte dem Richter den Absender.
    Dieser nickte: »Der Name stimmt, aber die Adresse …«
    »Da war er bei der Bundeswehr. Der Brief ist mehr als ein Jahr alt. Nach dem Inhalt zu urteilen, schienen sie schon damals nicht mehr zusammen gewesen zu sein.«
    »Roland studiert, soviel ich weiß, in Tübingen. Hanna und ich hatten leider in letzter Zeit sehr wenig Kontakt«, sagte Harras. »Ich

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