Inkasso Mosel
Tatabend mit Roland zusammen war.« Gabi wendete sich ihrem Schreibtisch und nahm eine Akte zur Hand.
»Ist Roland wieder abgereist?«
»Mitnichten und auch nicht mit Neffen.« Gabi drehte sich wieder zu Walde um. »Die Tübinger Kollegen müssen erst noch Karlas Aussage überprüfen. Das dauert wohl noch ein Weilchen, bis dahin muss sich unser Roland brav jeden Tag bei der Trierer Polizei melden. Aber diesmal hab’ ich das Gefühl, dass der ein wasserdichtes Alibi hat.«
*
Das Siegel an der Tür war in einwandfreiem Zustand. Walde blieb einen Moment in der Diele stehen. Die Zimmertüren standen allesamt offen. Er sog die Luft durch die Nase und glaubte, einen leichten Parfümgeruch wahrzunehmen. In der Küche füllte er die Gießkanne und machte damit einen Rundgang durch die Räume, wo sämtliche Topfpflanzen nach Wasser lechzten. Im Bad klopfte er die Fliesen an Badewanne und Dusche ab, untersuchte den Spülkasten am Klo und den Spiegel über dem Waschbecken. Wieder machte er einen Rundgang durch die Zimmer, setzte sich schließlich an Hannas Arbeitsplatz. Er legte die Seiten, die er aus ihrem Notizbuch kopiert hatte, auf den Schreibtisch. Hannas Einträge bezogen sich offenkundig nur auf Termine, die ihr Studium betrafen. Im Anhang hatte sie auf einem Blatt die Stunden notiert, die sie in Balzers Firma gejobbt hatte. Walde zog die Schubladen auf. Neben ordentlich eingeräumten Schreibstiften, Linealen, Papier, Druckerpatronen und einer Schachtel Büroklammern fand er einen Schlüsselbund und ein winziges Holzbrettchen, aus dem ein etwa zwei Zentimeter langer Holzdübel ragte. Die Schlüssel passten auf kein Schloss in der Wohnung. Er vermutete, dass sie zum Haus ihres Vaters gehörten. Eingehend betrachtete er die Holzdübelkonstruktion. Die Wohnungseinrichtung machte einen sehr sachlichen Eindruck, alles schien einem Zweck zu dienen.
Dies traf erst recht auf Hannas Schreibtisch zu. Was hatte da dieses offensichtlich selbst gebastelte Ding zu suchen? Holzdübel kannte Walde zur Genüge von Ikea- Möbeln. Aber in dieser Wohnung gab es nicht einmal ein Regal, das von dem schwedischen Möbelhaus stammte.
Walde rief in der Schreinerei von Karl an, mit dem er sich für gewöhnlich donnerstagabends zum Musikmachen in der alten Tuchfabrik traf.
»Tach, Karl, ich brauche einen Tipp.«
»Einen Moment.« Walde hörte, wie eine hochtourige Maschine abgeschaltet wurde, dann sprach Karl weiter. »Bis Weihnachten wird das aber nichts mehr.«
»Karl, ich brauche nur einen Tipp, keine neuen Möbel.« Walde beschrieb das Teil mit dem Holzdübel.
»Kann sein, dass damit ein Schnappschloss geöffnet wird«, vermutete Karl. »Früher wurden oft Geheimfächer in Schränke eingebaut. Die waren meistens mit Riegeln gesichert. Versuch einfach mal, alle Dübel, die du an den Möbeln findest, mit dem Stift einzudrücken.«
Walde patrouillierte während des Gesprächs an den Möbeln im Wohnzimmer vorbei. »Hier ist nirgends ein Dübel zu sehen.«
»Dann versuche es mal an der Unterseite«, riet ihm Karl. »Sonst fällt mir im Moment auch nichts ein.«
Außer Spinnweben fand Walde nichts an den Unterseiten der Möbel im Wohnzimmer. Die Regale bargen keine Möglichkeiten für ein Geheimfach. Nachdem er den Schreibtisch untersucht hatte, klopfte Walde seine Hose in Kniehöhe ab und machte sich seufzend auf den Weg zur Küche. In der Diele blieb er vor einem hohen Schrank stehen. Bei ihm schien es sich um das mit Abstand älteste Möbelstück in der Wohnung zu handeln. Walde öffnete die beiden schmalen Türen. An einer leicht gebogenen Stange hingen Jacken. Auf dem Schrankboden standen mehrere Paar Damenschuhe. Unten hatte der Schrank zwei Schubladen. Sie hatten die gleichen Messingbeschläge wie die Schranktüren. In den Schubladen standen ebenfalls Schuhe.
Walde musste sich ausgestreckt hinlegen, um mit der Hand unter den Schrank fassen zu können. Er tastete an den Rändern der Schubfächer vorbei. Keine Spinnweben. Nach einer Weile ertastete Walde eine kleine Vertiefung im Holz. Als er sich aufsetzte, um die Holzdübelkonstruktion aus seiner Tasche zu holen, wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
Er brauchte eine Zeit, um die Stelle zwischen den Schubladen wieder zu finden. Als er den Stift darauf drückte, ließ sich der Holzdübel nach oben schieben und ein leises metallisches Klicken war aus dem Inneren des Schranks zu hören.
Walde richtete sich auf. Am Schrank war keine Veränderung zu sehen. Er untersuchte
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