Inkasso Mosel
Zigarette an. »Es wird Zeit, dass dein Urlaub endlich vorbei ist. Wir müssen unsere Ermittlungen aufeinander abstimmen. Jeder kocht im Moment sein eigenes Süppchen. So geht das nicht weiter. Woher weißt du überhaupt von Schaffreck?«
»Von Stiermann«, antwortete Walde. »Er kennt Schaffreck von der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft.«
»Ah, ja. Ich hab’ ihn in der Trierer Uni getroffen. Da hält er einmal die Woche eine Vorlesung. Und weißt du, wer seine Studentin war?«
»Hanna Harras?«
»Bingo.«
Bis hinter Mayen schwiegen sie. In das Motorengeräusch und das Rauschen der Lüftung mischte sich das Geklapper des Renovierungsgerümpels, das hinter den beiden hin und her rutschte.
Sie fuhren bergan in eine neblige Zone. Die Landschaft reduzierte sich auf wenige Bäume und Hügelschemen entlang der Autobahn. Die Temperatur lag nur noch knapp über null Grad. Walde ging mit dem Tempo runter, weil er jederzeit mit Reifglätte rechnen musste.
Gabi nahm ihr Telefon und ein Notizbuch aus der Handtasche. »Kripo Trier, Herrn Professor Schaffreck bitte.«
Walde hörte, wie sie mehrmals weiterverbunden wurde und schließlich nach der Privatnummer des Richters fragte.
»Er hat Urlaub und ist wahrscheinlich in seinem Ferienhaus in der Nähe von Hatzenport.« Gabi steckte das Telefon ein.
»Wo liegt denn das?«
»Irgendwo zwischen Cochem und Koblenz an der Mosel. Hast du eine Straßenkarte?«
Bei Polch fuhr Walde von der Autobahn ab und gelangte über Münstermaifeld hinunter ins Moseltal, wo sie in Hatzenport am Flussufer parkten. Walde schien die Mosel schmaler als in Trier, obwohl sie bis hierher über weitere hundertfünfzig Kilometer reichlich Wasser aus den Nebenflüssen gesammelt hatte.
Gabi rauchte eine Zigarette und drehte dabei den Rücken in Flussrichtung, von wo der Wind unvermindert kalt blies. Dunkle Wolken waren aufgezogen.
»Was möchtest du überhaupt von Schaffreck wissen?«
»Ich hab’ keine Strategie, das wird sich im Gespräch ergeben.« Der Wind wehte die Asche von Gabis Zigarette.
»Meinst du, das war Zufall, dass er ausgerechnet in der letzten Woche bei Harras in Trier war?«
»Mal sehen.« Gabi warf ihre Kippe in das schnell fließende Wasser.
Erst fragten sie vergeblich die wenigen Leute, die auf der Straße im Dorf unterwegs waren. Schließlich wies ihnen die Inhaberin eines Tante-Emma-Ladens den Weg zurück den Berg hinauf in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dort sollte sich, wie die Frau erklärte, die Ranch des Richters befinden.
Zurück auf dem Plateau fühlte sich Walde von der bedrückenden Enge des Flusstales erlöst. Sie mussten nicht lange suchen, bis sie den sandigen Weg zum Grundstück des Richters fanden. Über der Einfahrt stand in weißer Farbe auf eine rohe Holzplanke gepinselt ,PONDEROSA’. Dahinter war ein großes Areal mit einer eigenwilligen Kombination aus Wildgatterzaun und Holzplanken etwa zwei Meter hoch eingezäunt. Der Weg, der in das Gelände führte, war nur in der Mitte einigermaßen begehbar. Links und rechts in den Fahrrinnen stand braunes, teils von Blättern bedecktes Wasser. Die beiden blieben am Gatter stehen und sahen offene Schuppen mit uralten Lanzbulldogs und einem noch in Gebrauch befindlichen John-Deere- Trecker, Anhängern, Holzspaltgeräten und Kreissägen. Dazwischen parkte eine in die Jahre gekommene Corvette. Als Walde vor dem geschlossenen Tor stand, ließ ihn ein gewaltiger Donner zusammenzucken. Der Himmel hatte sich weiter verdunkelt, als sei bereits die Dämmerung hereingebrochen.
Durch den Zaun sah Walde, dass der Weg zu einer Blockhütte aus dicken Baumstämmen mit Fensterläden und einem gewaltigen Kamin aus Natursteinen führte, aus dem Rauch quoll. Der Dodge des Richters stand vor der überdachten Veranda, auf der nur der Schaukelstuhl fehlte, um das Bild einer amerikanischen Ranch komplett zu machen. In diesem Moment hatte Richter Schaffreck seinen Auftritt. Er sprang federnd von der Terrasse auf den Weg hinunter und schritt schnellen Schrittes in Cowboystiefeln, Jeans und Holzfällerhemd auf das Tor zu. Eine Windbö kam auf. Schaffreck hielt seine Kappe fest. Am Tor schaute er nacheinander Gabi und Walde an.
»Stören wir?«, rief Gabi gegen den Wind an.
»Die Überraschung ist Ihnen gelungen. Kommen Sie herein!«
Schaffreck öffnete das Tor, das nur mit einem über den nächsten Zaunpfosten gelegten Drahtring gesichert war. Er betrachtete das Auto, mit dem die beiden gekommen waren. »Genau den
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