Inmitten der Unendlichkeit
lauteres Lachen aus.
Die Angehörigen der Wachgruppe tauschten verwirrte Blicke.
Sie hatten den Witz nicht verstanden. Aber das war schon in Ordnung. Die Hauptsache war, daß Brik ihn verstand. Im Augenblick war das alles, was zählte.
Williger
Doktor Molly Williger hatte nicht viele Freunde. Sie war niemand, der zahlreiche Freunde gebraucht hätte, und um die Wahrheit zu sagen, war es auch nicht ganz einfach, sich mit ihr anzufreunden. Sie war eine recht schwierige Person. Molly Williger war wortkarg, finster und manchmal verletzend direkt, und sie hielt nichts von schneller Kameradschaft. Es war nicht so, daß sie mit Absicht unfreundlich zu anderen war – aber dennoch hinterließ ihr Verhalten oft genau diesen Eindruck. Meist blieb sie reserviert und weigerte sich, etwas von ihren Gefühlen preiszugeben. Ihre Umgangsformen mit Kranken waren einmal mit denen eines klassischen Generals namens Patton verglichen worden – aber Patton hatte die besseren Noten erhalten. Molly Williger hatte zwar noch nie einen Patienten geohrfeigt, aber es war schon vorgekommen, daß sie in ihrer Wut jemanden mit einem wohlgezielten Tritt auf den gluteus maximus aus seinem Krankenbett gescheucht hatte. Und dann gab es da noch das nicht gerade geringe Problem mit ihrem Aussehen. Selbst Menschen, die gegenüber Williger keinen Groll hegten, pflegten ihre Bekannten rechtzeitig zu warnen, daß Doktor Molly Williger die häßlichste Ärztin der gesamten Flotte war, bevor sie ihnen Williger persönlich vorstellten. Was unzweifelhaft der Wahrheit entsprach. Es bereitete die vorgestellte Person ein wenig auf die Begegnung vor, und die Feststellung war zweifellos auch ziemlich höflich, höflicher zumindest als zu sagen, Molly Williger wäre die häßlichste Person in der Flotte. Obwohl das aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso zutraf.
Molly war eine kleinwüchsige Frau und stammte von einer Welt mit hoher Gravitation. Sie war beinahe ebenso breit wie hoch. Ihre Nase ähnelte einer Kartoffel, und ihre Augen schielten ein wenig und ließen sie beinahe ebenso gemein wie häßlich aussehen. Sie besaß abstehende, verschrumpelte Ohren, die den Eindruck erweckten, ein Hund hätte sie vergraben und nach einem Jahr wieder ausgebuddelt. Die Atmosphäre ihrer Heimatwelt war dicker als auf Allianzschiffen üblich, und so war ihr Atmen bestenfalls schwer zu nennen, weil sie ständig darum kämpfte, genug von der zu dünnen Luft in ihre Lungen zu saugen. Ihre Stimme klang rauh und rasselte, als würde sie mit Kieselsteinen gurgeln. Ihr Haar war zu einem festen Knoten geschlungen und erinnerte an steifen, rostigen Draht. Aber selbst die Beschreibung der einzelnen Merkmale dieser Frau blieb unzureichend. Ihr Erscheinungsbild bildete den klaren und unschlagbaren Beweis dafür, daß das Ganze mehr sein konnte als nur die Summe seiner Teile.
Einmal war Molly Williger mit einem berühmten Dichter bekanntgemacht worden, und der Poet hatte anschließend ein ganzes Jahr seines Lebens damit verbracht, die richtigen Worte zu finden, bevor er am Ende aufgegeben und ihre Häßlichkeit einfach als transzendental bezeichnet hatte. »Die Sprache benötigt noch weitere tausend Jahre der Evolution, bevor sie imstande ist, eine Aufgabe wie diese zu erfüllen. Die Frau ist ein lebendes Meisterwerk. Gott muß daran gearbeitet haben, denn in dieser Arbeit gibt es keinen Fehler. Sie ist vollkommen und durch und durch häßlich, ohne auch nur den kleinsten Fleck von Schönheit, der den Anblick stören könnte. Sie ist eine heilige Gestalt. Ich würde eher meinen Rücktritt verkünden, als daß ich die Aufgabe übernehmen würde, ihr Erscheinungsbild mit Worten zu beschreiben.«
Es gab Leute, die sich an diesen harten Worten über Molly stießen, und diese Leute verurteilten den Poeten öffentlich für seine Geschmacklosigkeit. Aber der Poet erwiderte, daß er nichts Böses im Sinn gehabt habe. Seine ehrfürchtige Reaktion war als höchste Form von Kompliment gemeint gewesen. »Schönheit ist nichts Besonderes«, verteidigte er sich. »Sie erfordert keine besonderen Fähigkeiten. Aber wahre Häßlichkeit ist schon immer eine Kunstform gewesen. Sie ist roh und brutal und aus den Schreien und dem Leid von Fleisch und Blut gewordenem Bewußtsein geformt. Molly Williger raubt mir die Sprache. Ich würde mich ihr zu Füßen werfen und sie anbeten, wenn sie mich nur ließe.«
Was Molly Williger auch darüber denken mochte – sie behielt es jedenfalls für sich. Sie
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