Inmitten der Unendlichkeit
leistungsfähigeren Metabolismus.
Brik würde den Vorrat an Sauerstoff in weniger als einem Drittel der Zeit verbrauchen. Das gleiche hatte mit Sicherheit auch für Cinnabar gegolten. War der Assassine imstande gewesen, das Raumschiff innerhalb von sieben Minuten in seiner vollen Länge zu durchqueren?
Brik würde es herausfinden.
Es war von allergrößter Bedeutung, daß er es herausfand.
Er hakte den kurzen schwarzen Schlauch vom Transfusor los und öffnete das Ventil. Dann schob er sich das Schlauchende in den Mund. Er biß fest in das Mundstück und hielt es mit seinen Eckzähnen fest. Er atmete ein. Gut. Es funktionierte. Er bekam gerade eben ausreichend Luft.
Dann schob er sich durch das letzte Ventil der Schleuse.
Volles Vakuum schmerzte.
Und es war laut.
Er konnte hören, wie das Herz in seiner Brust hämmerte. Er konnte die Wellen spüren, die sich von seiner Brust her in einer Reihe beschleunigter Impulse in Arme und Beine ausbreiteten; er konnte das Blut durch seine Adern rauschen hören und das Rasseln seines unregelmäßigen Atmens in seiner Kehle und seinen Lungen. Sonst nichts.
Sein Körperinnendruck fühlte sich irgendwie falsch an. Brik spürte ein Unwohlsein; ganz besonders in seinen Eingeweiden breitete sich ein eigenartig bekanntes Gefühl aus. Das Fehlen atmosphärischen Drucks schien seinen Därmen ein scheußliches Eigenleben zu verleihen. Die Empfindung war in höchstem Maße alarmierend. Und plötzlich wurde Brik klar, daß er nicht in der Lage sein würde, seine Eingeweide unter Kontrolle zu halten.
Er zog sich aus der Luftschleuse und verkrampfte sich beinahe augenblicklich in einer fötalen Haltung.
Er konnte nicht sehen, was hinter ihm geschah, aber er hatte ein intensives, saugendes Gefühl, als sein Darm in einem dunklen, gefrierenden Spray explodierte. Der Ausbruch war mächtig und schmerzhaft, und selbst als sein Darm bereits mit Sicherheit leer war, hörte das saugende Gefühl nicht auf. Es wurde allmählich unerträglich – als würde nach und nach sein gesamter Körper durch das Rektum von innen nach außen gestülpt. Brik klammerte sich an einen Handgriff und ertrug den Schmerz. Er hatte gewußt, daß dies geschehen würde, aber er hatte keine Ahnung gehabt, daß es so sehr schmerzte.
Der einzige Trost war, daß Cinnabar das gleiche durchgemacht haben mußte. Aber wahrscheinlich hatte Cinnabar die Situation schon vorher trainiert und außerdem spezielle Implantate für EVA-Aufenthalte in seinem Körper. Wahrscheinlich war die Erfahrung für Cinnabar nicht so schmerzhaft gewesen wie für Brik. Wer von uns beiden ist in diesem Fall der Mutigere, grübelte Brik.
Es spielte keine Rolle. Es ging nicht um Mut. Es ging um Ergebnisse. Er fühlte sich bereits etwas besser und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was vor ihm lag. Er warf einen Blick auf die Uhr und fragte sich einmal mehr, ob es eine gute Idee gewesen war. Die Antwort lautete noch immer nein. Trotzdem… es war die einzige Möglichkeit, es herauszufinden. Brik setzte das Mundstück wieder ein und nahm einen kleinen Atemzug. Ja, er könnte es schaffen. Er zog sich aus der Bucht, die die Luftschleuse einfaßte…
Er befand sich am Bug des Schiffes, direkt vor dem aufgemalten Rachen. Sein Ziel war eine der hinteren Luftschleusen. Er begann, sich mit einer stetigen Bewegung entlang der Hülle des Raumschiffs voranzuziehen, wobei er sich an den Handgriffen festhielt, die neben den langen Rohren der Massetreiber in den Rumpf eingelassen waren. Während er sich immer weiter voranarbeitete, sang er lautlos eines seiner Übungsmantras vor sich hin.
Schnell fiel er in einen gleichmäßigen Rhythmus. Er versuchte sich einzureden, daß er eine der Übungswände hochkletterte, die zu Hause standen. Fünf Minuten. Einhundert Meter. Er konnte es schaffen. In der Schwerelosigkeit würde es ein Spaziergang werden.
Es wurde kein Spaziergang.
Das Vakuum brannte.
Die Sterne funkelten abscheulich hell.
Seine Augen begannen vor Schmerz zu tränen. Seine Nebenhöhlen brannten. Sein Kopf fühlte sich eiskalt an, und in seinen Ohren hämmerte sein Herzschlag und rauschte sein Blut.
Sehr schnell bemerkte er, daß seine Hände zu kalt wurden. Jedesmal, wenn er die Schiffshülle berührte, strömte ein wenig mehr von seiner Körperwärme durch die Finger nach draußen. Die Konstrukteure hatten irrigerweise angenommen, daß jeder, der diese Außenleiter benutzen würde, einen richtigen Raumanzug tragen würde. Sie hatten darauf
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