Inmitten der Unendlichkeit
Vielleicht waren sie auch nur fatalistischer eingestellt.
Nachdenklich fuhr Korie fort: »Es ist ganz einfach. Wir operieren völlig offen. Wir können keinen Plan entwickeln, der in irgendeiner Weise Heimlichkeiten beinhaltet, weil wir keine Garantie haben, daß irgend etwas geheim bleibt. Und das ist gleichzeitig unser Dilemma: Welche Art von Gewinnstrategie spielt sich ohne jede Heimlichtuerei ab?«
»Blank-Poker«, grunzte Leen.
»Blank-Poker?« fragte Korie.
»Man spielt es mit aufgedeckten Karten. Es ist ziemlich schwierig zu bluffen.«
»Ich habe eher den Eindruck, daß es nicht viel zu bluffen gibt, wenn die andere Seite schon meine Karten kennt«, sagte Gatineau.
»Poker ist vielleicht auch die falsche Art von Spiel«, sagte Korie. »Schach paßt schon eher. Beide Seiten sehen alle Spielfiguren.«
»Das ist nicht mehr als eine Annahme«, konterte Brik. »Wenn überhaupt, dann ist es Blindschach. Und zwar auf unserer Seite. Wir glauben nur zu wissen, wo die Figuren stehen.«
Die anderen warfen ihm neugierige Blicke zu.
»Tatsächlich wissen wir nur wenig über Kobolde, und über diesen speziellen wissen wir gar nichts. Wenn wir annehmen wollen, daß nur einer an Bord ist.«
Schweigen breitete sich aus. Briks letzte Worte mußten erst einmal verdaut werden.
»Ich will Ihnen erzählen, was ich über Kobolde weiß«, fuhr Brik schließlich fort. »Sie sind eine Kriegswaffe. Vor etwa einem Jahrhundert gab es auf einem Planeten namens Citadel eine morthanische Kolonie. Die Bewohner weigerten sich beharrlich, der Solidarität beizutreten, als man sie dazu einlud…«
»Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie die Einladung ausgesehen hat.«
»Es war jedenfalls unangemessen, die Einladung abzulehnen«, sagte Brik. »Die Solidarität impfte zwei Städte mit Koboldeiern.«
»Und?«
»Sobald die Bewohner des Planeten erkannten, was geschehen war, zerstörten sie ihre eigenen Städte mit Atomwaffen.«
»Hat es genutzt?« fragte Gatineau.
»Nein. Sie mußten den Planeten aufgeben. Einige ihrer Schiffe entkamen. Die meisten nicht.«
»Er sah aus wie ein… Weltraumaffe«, sagte Gatineau unvermittelt. »Er hatte große runde Augen. Wie ein Lemure. Und winzig kleine Hände. Sehr zierlich.«
Alle blickten ihn an.
»Er erinnerte mich an etwas, das ich aus einer Geschichte kenne. Ein Farmer hatte Probleme mit einem Affen, der seine Früchte stahl. Er mußte ihm eine Falle stellen. Also ging er los, um nachzusehen… na, ist ja auch egal. Jedenfalls nahm er eine Kokosnuß und bohrte ein kleines Loch hinein. Dann ließ er eine wohlschmeckende Nuß durch die Öffnung fallen und befestigte die Nuß an einem Seil. Das war alles. Am nächsten Morgen kam der Farmer wieder und fand den Affen mit der Hand in der Kokosnuß gefangen. Der Affe konnte seine Hand nicht mehr durch das Loch herausziehen. Es war zu eng für seine Faust, und der Affe war zu dumm, die Nuß loszulassen.«
Leen knurrte: »Also brauchen wir nichts weiter als eine Reihe von Kokosnüssen, wie?«
»Eine einzige würde schon reichen, glaube ich«, grinste Korie. »Ich verstehe die Pointe. Was haben wir, das der Affe so gerne haben möchte, daß er sich lieber fangen läßt, als wieder loszulassen?«
»Stardock«, erwiderte Brik.
»Das ist das einzige, was wir ihm nicht geben können.« Aber während Korie das sagte, skizzierte er bereits etwas in seinem elektronischen Notizbuch. Für Gatineau sah es aus wie ein Andockschlauch, der an einem Singularitätsgeschirr verankert war. Korie beendete die Zeichnung und begann, ungeduldig mit dem Stift auf das Notizbuch zu klopfen. Es schien zwar eine nichtssagende Geste zu sein, aber Leen wurde trotzdem aufmerksam und warf einen Blick auf die Skizze. Er zuckte leicht mit den Schultern und machte eine vage Handbewegung. Brik war der schweigenden Unterhaltung ebenfalls gefolgt. Aber sein Gesichtsausdruck blieb unverbindlich.
Korie dachte noch immer angestrengt nach. »Wie schlau sind diese Kobolde, Brik?«
»Ich dachte, ich hätte Ihre Frage bereits beantwortet!«
»Ja und nein. Sie haben nur gesagt, daß er besser Schach spielt als ich. Aber das war keine Antwort auf meine Frage. Selbst eine ziemlich dumme Maschine kann ein schwieriger Gegner im Schachspiel sein. Aber sie bleibt deswegen trotzdem eine dumme Maschine.«
»Ein Punkt für Sie«, erwiderte Brik.
»Sie haben gesagt, der Kobold sei eine programmierte Intelligenz. Wie gut ist er programmiert? Wie flexibel sind seine Problemlösungsalgorithmen?
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