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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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gestellt, mit schwarzem Lederbezug. Ein passender Sessel, ebenfalls schwarz. Dazu ein großer Couchtisch aus Glas mit zwei schwenkbaren Elementen. Die Möbel waren zu wuchtig für den Raum.
    Der Schreibtisch schien aus der gleichen Möbelserie zu stammen wie die Schrankwand im Schlafzimmer. Dahinter ein schwarzlederner Bürostuhl, Typ Chefsessel. Darauf ein Flachbildschirm, 17 Zoll. Eine Wand wurde von einem ebenfalls flachen und sehr großen Fernsehmonitor beherrscht. Das Wohnzimmer-Schrankelement beherbergte ein paar Bücher und eine Stereoanlage und entstammte der gleichen Serie wie Schreibtisch und Schlafzimmerschrank.
    Als ich den letzten Raum betrat, erkannte ich, was Volker vor einer Viertelstunde so zum Lachen gebracht hatte. Denn abgesehen von dem gigantisch großen Heimtrainer, einem Multifunktionsgerät, das Assoziationen an mittelalterliche Folterbänke in mir weckte, stand dort nur noch ein Fitness-Rad. Auch hier hing ein Flachbild-Fernseher an der Wand – vermutlich, damit es nicht so langweilig wurde beim Trainieren –, allerdings war dieser um einiges kleiner als der im Wohnzimmer. Ein Sideboard in Rosa bildete einen merkwürdigen Kontrast zu den monströsen Geräten. Ein Teddy, abgewetzt und einäugig, wies darauf hin, dass hier wohl einmal das Kinderzimmer gewesen sein musste.
    Ich ging zurück in die Küche und warf einen Blick auf den Balkon. Ein begnadeter Gärtner schien Kurti nicht gerade gewesen zu sein, denn wo Platz für Kübel und Töpfe gewesen wäre, herrschte gähnende Leere. Nur eine weiße Plastikliege ohne Auflage, ein Plastiktisch mit zwei übereinandergestellten Plastikstühlen, ebenfalls weiß, und ein Stapel mit Getränkekästen: Bier, Lightbier, Wasser, Apfelschorle.
    Ich nahm mir eine Flasche Mineralwasser und setzte mich wieder an den Küchentisch. Trank aus der Flasche in großen Schlucken, während ich nachdachte. Die Wohnung wirkte auf mich seltsam unpersönlich. Obwohl die Möbel sicher nicht billig gewesen waren und zueinander passten, hatte die Wohnung eine unbewohnte Ausstrahlung. Sie wirkte wie frisch aus dem Katalog, wären da nicht die schmutzige Wäsche und das ungemachte Bett.
    Woran lag das? Erneut nahm ich meinen Rundgang auf. Dieses Mal richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Details. Ich begann mit dem Schreibtisch im Wohnzimmer. Er hatte keine Schublade, sondern im rechten Bereich nur offene Fächer, in denen sich Drucker, Druckpapier und der übliche Bürobedarf befanden. Ein weiteres Fach war leer. Den leichten Staubspuren nach zu urteilen, hatten hier ein paar Aktenordner gestanden. Die befanden sich mit Sicherheit jetzt bei der Polizei. Das Kabel des Monitors schlängelte sich lose auf dem Schreibtisch. Ein PC war nicht zu sehen. Den hatte vermutlich ebenfalls die Polizei. Auf dem Schreibtisch lag ein sorgsam geordneter Stapel der Zeitschrift »Finanzmarkt und Immobilienwirtschaft«. Das wunderte mich nicht. Schließlich war es Kurts Beruf gewesen, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Mehr hatte der Schreibtisch nicht zu bieten.
    Ich setzte mich auf das kleinere der schwarzen Sofas. Kein Krümel wies darauf hin, dass hier zum Fernsehen auch mal krachend Chips gefuttert wurden. Oder Nüsse. Oder belegte Brote. Kein aufgeschlagenes Buch, keine Tageszeitung. Die befand sich in einem Zeitungsständer aus Plexiglas. Drei Ausgaben der »Süddeutschen«, ordentlich gefaltet. Die letzte war einen knappen Monat alt.
    Die kleine Schrankwand im Wohnzimmer enthielt Kurtis CD-Sammlung. Ich überflog die Titel und lächelte belustigt. War wohl ein ewig Gestriger, dem Musikgeschmack nach zu urteilen. Rocksampler mit Stücken, die wir auf unseren ersten Feten gehört hatten. Überhaupt dominierten die Sampler. Nichts Modernes dazwischen, keine zurzeit aktuellen Bands, obwohl es auch heute gute, rockig-fetzige neue Stücke gab, fand ich zumindest. Nur eine CDfiel aus dem Rahmen. Sie war selbstgebrannt. »Für Kurt«, stand darauf geschrieben, in großen, rund geschwungenen Buchstaben. Ein zartes Herz auf weißem Papier, nicht in einer Linie gezogen, sondern schraffiert, als hätte jemand eine Schablone aus Holz oder Pappe unter das Papier gelegt und mit einem roten Buntstift durch eine zarte Schraffur über die Kanten das Herz auf das Papier gebannt. Ich schob die CD in den Player und startete sie. Während ich weiter durch die Wohnung wanderte, begleitete mich sanfte, schwermütige Folklore. Eine Frau mit einer wunderschönen Altstimme sang in einer

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