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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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auf Einsamkeit. Es sieht so aus, als hätte er darauf gewartet, eine Frau heimführen zu können.«
    »Boulevardpsychologie«, kommentierte Volker bissig. »Das meinst du doch nicht ernst. Hoffentlich …«
    »Komm, komm, komm! Du hast eben ganz so ausgesehen, als würdest du dich ertappt fühlen.« Ich zwinkerte ihm zu. »Scheinst dich also irgendwie in der Beschreibung wiedergefunden zu haben.«
    »So schlimm war ich nie.«
    »Das behaupten sie alle. Aber es suhlen sich ja auch nicht ausnahmslos alle im Dreck. Es gibt da noch den Pingel unter den Männern. Den, der seine Wohnung penibel in Schuss hält. So ein Mann verströmt Einsamkeit. So meine ich das. Das ist dann einer, der nicht gerne allein mit sich ist. Einer, der wartet.«
    »Hmmm.« Er warf mir einen zweifelnden Blick zu.
    »Die Schweine sind mir lieber.« Ich lachte ihn an. »Die fühlen sich nämlich wohl in ihrer Haut. Lieber ein Schwein, das sich wohlfühlt, als eine bedürftige Haut. Die erdrückt einen mit ihren Erwartungen. Und nun Schluss mit der Boulevardpsychologie.« Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück.
    Volker nahm die Bierpulle und schlenderte durch die Wohnung.
    »Jetzt verstehe ich, was du meinst. Eindeutig ein Wartender«, sagte er, als er nach ein paar Minuten wieder zurückkam. »Ein absoluter Pingel. Ein Ordnungsfanatiker. Da liegt einfach nichts herum. Ich meine, nichts Persönliches oder so. Das sieht wirklich schrecklich aufgeräumt aus.«
    »Du weißt allerdings nicht, was die Polizei alles mitgenommen hat«, gab ich zu bedenken. »Der PC ist weg, ebenso die Ordner, die im Regal am Schreibtisch gestanden haben. Und ich vermute mal, dass das nicht das Einzige ist, was an persönlichen Dingen fehlt.«
    Volker nickte. »Das stimmt natürlich. Aber«, jetzt grinste er, »hast du die Hosen auf dem Kleiderboy gesehen?«
    »Ja, wirklich sehr ordentlich.« Ich lachte auch. »Mächtig akkurat, diese Bügelfalten!«
    »Genau das meine ich. Also, was mitnehmen ist ja eine Sache. Die Bullen haben aber bestimmt nicht hinterher die Spüle blank geputzt und Teller und Gläser in Reih und Glied aufmarschieren lassen.« Er wies auf die Küchenzeile.
    »Echt? Das ist mir nicht aufgefallen. Also, das mit der blitzsauberen Spüle schon. Aber nicht, dass das Geschirr so ordentlich aufgereiht ist.« Ich stand auf und öffnete die Schranktür. Leise pfiff ich durch die Zähne. Hier herrschte soldatische Disziplin.
    »Im Kleiderschrank geht es nicht so pedantisch zu«, berichtete Volker.
    »Na ja, da hat das Gspusi vermutlich auch ziemlich gründlich drin gewühlt. Und ich auch. Vielleicht war da vorher alles ganz akkurat geschichtet.«
    »Gspusi?«
    »Die Spurensicherung. Freunde von mir nennen die immer so. Schütte und Bea, sie sind beide bei der Kripo.«
    »Da sitzt du ja geradezu an der Quelle.«
    »Vergiss es. Bei Bea war ich schon. Die ist mal wieder ziemlich zugeknöpft. Und ihr Freund Schütte arbeitet in Bochum.«
    »Oder jemand war nach seinem Tod in der Wohnung und hat aufgeräumt«, griff Volker den Faden wieder auf.
    »Glaubst du? Wer sollte das wohl gewesen sein? Bettina vielleicht?«
    »Wir werden sie fragen.«
    »Wenn sie es war, dann ist sie die Pingelige, nicht ihr Vater«, überlegte ich. »Aber Bettina hat doch vorhin gesagt, dass sie es noch nicht fertiggebracht hat, in die Wohnung zu kommen«, fiel mir dann ein.
    »Stimmt. Hat sie gesagt. Dennoch: pingelig? Das würde nicht zu Kurti passen. Oder wenn, dann hätte er sich um hundertachtzig Grad gedreht in den letzten Jahren.« Volker lächelte. »Weißt du noch, der hatte doch immer verschiedene Socken an.«
    »Stimmt!« Jetzt lachte ich auch. »Und wie oft hat er sich im Laufe eines Nachmittags irgendwas auf sein T-Shirt gekleckert. Hat ja auch immer rumgezappelt, der Kurt. Konnte einfach die Glieder nicht still halten. Deswegen hat er sich dauernd einen Eintrag ins Klassenbuch eingefangen von der Scheidler, der alten Zicke.«
    »Ich mochte ihn gern«, sagte Volker. »Er war lustig, und er war ein feiner Kumpel.«
    »Ja, das war er«, bestätigte ich. Ich dachte an den schlaksigen, zu schnell gewachsenen Jungen mit den vielen Sommersprossen und den immens abstehenden Ohren, die er unter seiner Prinz-Eisenherz-Frisur zu verstecken versucht hatte. Ich dachte an Gerda, Ines, Matthes, Barbara, Volker und mich. In der Mittelstufe hatten wir viel zusammen unternommen. Bis Volker sich aus der Clique zurückzog und ich mich mit Friedrich Worscheck einließ. Der war so eifersüchtig

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