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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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gewesen, dass ich mich mit meinen früheren Freunden nicht mehr treffen durfte. Ich war ja selbst dran schuld. Ich hätte den Kerl einfach schnell wieder stehen lassen sollen.
    »Weißt du noch, wie er den Reuter auf der Klassenfahrt abgelenkt hat, damit du mit deinem verstauchten Fuß unbemerkt zurück in die Jugendherberge konntest?«
    Das hatte ich ganz vergessen. Aber jetzt war die Erinnerung wieder da. Wir hatten uns abends rausgeschlichen, um in Ruhe ein paar Bierchen zu zischen. Und dann kam der Reuter-Alarm. Wir rasten los wie die aufgescheuchten Hühner, viele von uns mit der Flasche in der Hand. Und ich knickte um. Matthes und Volker schleppten mich zurück zur Herberge, während Kurti den Reuter aufhielt, die angebrochenen Pullen von vier Leuten im Arm.
    »Er hat einen Tadel dafür kassiert und eine Verwarnung bekommen, und trotzdem hat er uns nicht verraten«, sagte ich versonnen. »Überhaupt hat er dauernd Tadel für irgendwas kassiert und dazu den Kopf für andere hingehalten. ›Da macht der eine den Kohl auch nicht mehr fett‹, so hat er das begründet. Er war wirklich ein netter Kerl. Und nun ist er tot.«
    »Prost Kurti.« Volker prostete mit der Flasche einem imaginären Punkt an der Zimmerdecke zu und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Prost Kurti, alter Kumpel«, tat ich es ihm nach. »Ich habe mich übrigens heute früh in Sachen Innenhafen im Netz herumgetrieben.«
    »Dito.« Volker grinste mich an. »Und? Fündig geworden in Sachen möglicher Sauereien?«
    »Eigentlich nicht. Scheint aber eine ziemlich kostspielige Angelegenheit gewesen zu sein. Ich habe mich zumindest gefragt, wie das alles finanziert wurde. Das Land NRW hat mit Sicherheit einiges dazu beigesteuert. Aber auch da wundere ich mich, wie die das hinbekommen haben.«
    »Wieso? Schulden sind doch nur des kleinen Mannes Tod«, sagte Volker sarkastisch. »Bund, Land und Kommunen leben doch gut mit ihrem immensen Schuldenbatzen, von den Unternehmen mal ganz zu schweigen.«
    »Da hast du recht«, stimmte ich zu. »Nur bei den Armen sind Schulden ehrenrührig. Bei den Machern dieser Gesellschaft werden Schuldscheine sogar als Zahlungsmittel gehandelt.«
    »Außerdem sind EU-Gelder geflossen. Da gibt es einen großen Topf bei der Europäischen Union, der in strukturschwache Gegenden fließt. EFREheißt der.«
    »Aha. Duisburg zählt also zu den strukturschwachen Gebieten? Aber daran ist ja wohl absolut nichts Illegales, oder?«
    »Nein.« Volker seufzte. »Auf den ersten Blick kann ich da nichts erkennen. Und die Wohnung hier hilft uns im Augenblick auch nicht so richtig weiter. Oder hast du noch eine Idee?«
    Ich trank den letzten Schluck Bier aus der Flasche und stand auf. »Nö. Mir fällt auch nichts mehr ein. Außer eben, dass es hier merkwürdig unpersönlich ist. Lass uns gehen, ja?«
    Volker nickte, räumte die leeren Pullen in den Kasten auf dem Balkon und schloss sorgsam die Balkontür. Dann verließen wir gemeinsam die Wohnung.
    Der Hausflur war ziemlich heruntergekommen und in einem wenig einnehmenden Kackbraun gestrichen. Schön hingegen waren die mit Ornamenten verzierten Kacheln, die den Boden bedeckten. Vor den Briefkästen, die sich hinter der Eingangstür an der Wand befanden, blieb ich stehen.
    »Gib mal den Schlüsselbund.« Auffordernd hielt ich Volker die Hand hin. Dann schloss ich die ebenfalls kackbraun gestrichene, verbogene Tür des Briefkastens auf. »Türauf, wie passend«, kommentierte ich und zog mehrere Briefe heraus.
    Der oberste Umschlag war hell, im Format DIN A5. Ich sah auf den Absender. »Irgendein Notar. Was meinst du, sollen wir ihn öffnen?«
    »Notar? Das klingt wichtig. Warte, ich klär das schnell.«
    Ich ging die übrige Post durch, während Volker mit Bettina telefonierte. Nur noch Werbung. Dann signalisierte er mir, dass ich den Brief öffnen sollte.
    Ich ratschte den Umschlag mit dem Zeigefinger auf, faltete den Brief auseinander und überflog den Text. »Er ist nicht zum vereinbarten Termin erschienen, mit dringender Bitte um Rückruf«, sagte ich überrascht. »Kurt scheint eine Wohnung gekauft zu haben.«
    »Einen Moment«, sagte Volker zu Bettina, nahm mir das Schreiben aus der Hand und las es ebenfalls. »Na ja, zumindest hatte er es vor.« Er nahm das Handy wieder ans Ohr. »Weißt du was vom Kauf einer Wohnung, Bettina?«
    Ich wartete, bis er das Gespräch beendet hatte.
    »Sie hatte keine Ahnung«, informierte er mich schließlich. »Aber so ganz ungewöhnlich ist das in

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