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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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Telefonnummern von irgendwelchen Frauen. Gerlinde, Sonja, Hedwig … Aber da konnte ich doch nicht einfach anrufen und fragen, ob sie zu seiner Beerdigung kommen wollen.«
    Sie lächelte gequält. »Ich meine, er schien einsam gewesen zu sein. Das ist mir früher nie aufgefallen. War er etwa wegen mir so einsam?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Bestimmt nicht«, beeilte ich mich zu sagen. »Er hat dich geliebt. Aber du wirkst selbst etwas einsam. Hast du jemanden, der dich etwas ablenken kann? Der sich um dich kümmert?«
    Sie schniefte. »Ich komm schon klar. Ich habe ein paar gute Freundinnen, da kann ich immer hin. Mein Freund ist momentan leider beruflich unterwegs. Der kann da jetzt nicht weg.«
    »Was macht er denn?«
    »Er arbeitet auf einem Forschungsschiff. Meeresbiologie«, sagte sie mit leisem Stolz in der Stimme. »Er war so froh, als er die Stelle dort bekommen hat. Er will noch seinen Doktor machen. Auf jeden Fall kann er da zurzeit nicht weg. Nur mit dem Hubschrauber, aber das wäre viel zu teuer.«
    »Zurück zu Schiller«, sagte ich, um sie abzulenken. »Hast du ihn mal kennengelernt?«
    »Nicht persönlich. Paps hat einige Male von ihm erzählt. Er hat gesagt, wenn ich mal jemanden suchen würde für eine Haushaltsentrümpelung oder so, dann wäre Schiller der richtige Mann. So was würde er machen, zu einem guten Preis.«
    Da hatte Schiller wohl sein Hobby zum Beruf gemacht. »Ich habe mit ihm geredet. Er sagte, dass dein Vater irgendeiner großen Sache auf der Spur gewesen sei und dass vermutlich sein Chef darin verwickelt war.«
    »Der Behrends? Davon weiß ich nichts«, sagte sie. »Ich weiß nur, dass Paps ihn nicht ausstehen konnte. Und dass sich das in letzter Zeit noch einmal richtig gesteigert hat, diese Aversion. Aber warum, weiß ich nicht.«
    »Wann hat er sich eigentlich die Wohnung neu eingerichtet? Es sieht so aus, als habe er alles komplett neu gekauft.«
    »Ja, das stimmt. Das war vor etwa drei Monaten. Ich war ganz schön geschockt, als ich ihn besucht habe. Ich meine …« Sie strich mit dem Finger gedankenverloren über den Ärmel ihrer schwarzen Bluse. »Er hätte doch wenigstens fragen können, ob ich davon was behalten möchte«, sagte sie schließlich. »Ich war ziemlich sauer auf ihn. Schließlich bin ich mit den Sachen aufgewachsen.«
    »Und was hat er dazu gesagt?«
    »Er sagte, dass er sich verflixt noch mal nach einem halben Leben neu einrichten dürfe, ohne seine Tochter um Erlaubnis fragen zu müssen. Er wurde richtig fuchtig.«
    »Hast du nicht gefragt, warum er das überhaupt wollte? Ich meine, es ist doch ungewöhnlich, sich gleich von allem auf einmal zu verabschieden, oder?«
    Bettina sah mich hilflos an. »So habe ich das noch gar nicht gesehen«, gestand sie dann. »Ich fand nur, dass er zu viel Geld ausgegeben hat. Das hat mir Sorgen gemacht. Und ich fand, dass er mich wenigstens hätte fragen sollen, ob ich von den Sachen noch was gebrauchen kann. Und sei es nur zur Erinnerung.«
    Ich nahm das erst mal so hin, obwohl es mich wunderte, dass Bettina nicht nach dem Grund gefragt hatte. Aber vielleicht fehlte es ihr noch an Lebenserfahrung, hielt ich ihr zugute. Ihr großäugiges Bambigehabe fing jedoch an, mir auf den Keks zu gehen. Es grenzte hart an Blauäugigkeit oder aber zeugte von einer ziemlichen Egozentrik. Der Egozentrik der Jugend. Nichts sehen, nichts hören … nichts jedenfalls, was über den eigenen Tellerrand hinausging.
    »Vielleicht hat er dir deshalb nichts von seinem Wohnungskauf erzählt«, sagte ich spöttisch. »Weil du ja schon wegen der Möbel so ein Theater gemacht hast.«
    »Ich habe kein Theater gemacht.« Der Blick, den sie mir zuwarf, war waidwund. »Ich war einfach nur verletzt.«
    Ich hatte keine Lust mehr auf weitere Rehblicke, auf Elfen und Porzellanteint. »Und Irina? Sagt dir der Name Irina etwas?«
    »Nein. Wer soll das sein?«
    »Das ist die Frau, mit der er in die neue Wohnung einziehen wollte. Er wollte sie heiraten«, sagte ich grob.
    »Ja, aber … Das hätte er mir doch erzählt!«
    »Bist du dir da so sicher? Er scheint eine Menge Geheimnisse gehabt zu haben, von denen du nichts weißt. Aber vielleicht warst du auch zu sehr mit dir selbst beschäftigt?«
    »Das ist nicht fair«, stammelte sie.
    Ich hatte sie verletzt. Wollte ich ja auch, gestand ich mir ein. Den Ritter weckte sie nicht in mir. Aber sie hatte recht. Fair war es nicht.
    »Das ist doch normal in deinem Alter.« Ich versuchte, meiner Stimme einen

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