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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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ungewöhnlich still. Und beim letzten Mal war er völlig aufgedreht. Ich meine, er hat ja sonst auch viel gequasselt, also bevor er so merkwürdig still wurde. Das letzte Mal war’s aber was Besonderes. Er war ganz zappelig, völlig überdreht …«
    »Drogen?«
    »Glaube ich nicht. Aber ein Kokser hätte nicht aufgekratzter sein können.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    Schiller schüttelte den Kopf. »Wo schnöder Mammon schäbig hoch sein Haupt erstreckt, da lassen hohe Herren gierig ihre Beutel klingeln.«
    »Du meinst, es ging um Geld?«
    »Geht es nicht immer um das leidige Geld? Er sagte nur, er wäre einer heißen Sache auf der Spur, die er jetzt zum Abschluss bringen würde.«
    »Nichts Konkretes?«
    »Nein. Nur, dass er  die  nicht ungeschoren davonkommen lassen wollte. Und dabei hat er diese Geste gemacht.« Schiller streckte mir die Hand entgegen und rieb Daumen und Mittelfinger gegeneinander. Die klassische Geste für Zaster. Penunzen. Kohle.
    »Aha. Verstehe. Und wen meinte er mit ›die‹?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass es mit seinem Chef zusammenhing. Auf den war er gar nicht gut zu sprechen. Hat ihn oft ein geldgeiles altes Arschloch genannt.«
    »Hm. Hat er dir erzählt, dass er heiraten wollte?«
    »Nicht direkt. Ich wusste aber, dass da seit einer Weile eine Frau im Spiel war. Nicht die übliche Schwärmerei, sondern was Festes.«
    »Woher wusstest du das?«
    »Er hat es mir erzählt.« Schiller lächelte traurig. »Und die Art, wie er es erzählt hat, war meilenweit von dem üblichen Chaos in seinem Liebesleben entfernt. Er sagte, dass sie ihn liebt und bei ihm einziehen will. Und dass er sie beschützen würde.«
    »Bei ihm einziehen? Also in seine Wohnung, nicht zusammen in eine neue?«, erkundigte ich mich.
    »Sie wollte bei ihm einziehen. Zumindest ist das mein letzter Stand. Der ist allerdings schon einige Wochen alt.«
    Deswegen also die neuen Möbel. »Aber kennengelernt hast du sie nicht?«
    »Nein. Wir haben auch nie viel über solche Sachen gesprochen. Uns tat es einfach gut, Schach miteinander zu spielen, ein paar Bierchen zu zischen und Musik zu hören. Ich gehe nicht sehr häufig unter Menschen, also, privat, meine ich.«
    Ich nickte und blickte in sein linkes Auge, während das rechte beiseite glitt und sich meinem Blick entzog.
    »Ich bin traurig«, sagte Schiller. Erneut wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Sehr traurig. Wer spielt nun Schach mit mir?«
    »Wie wäre es mit mir? Ich habe früher immer mit meinem Vater gespielt. Ich arbeite hier in Duisburg, da kann ich abends ab und an gut mal vorbeikommen.« Ich war selbst überrascht, dass ich das vorschlug. Aber irgendetwas an Schiller hatte mich angerührt. Er interessierte mich, dieser seltsame Mann mit dem völlig verqueren Aussehen, und ich hatte das dringende Bedürfnis, seine Trauer ein wenig zu lindern.
    * * *
    Bettina trug schwarz. Es stand ihr nicht, ließ sie älter wirken, als sie tatsächlich war. Sie schien noch dünner als bei unserer letzten Begegnung. Bläuliche Schatten unter ihren Augen zeugten davon, dass sie nicht viel geschlafen hatte in letzter Zeit. Oder sie hatte viel geweint. Oder beides. Die blonden Locken waren hochgesteckt. Mit ihrer durchscheinend hellen Haut erinnerte sie an eine Porzellanpuppe. Oder an eine Geisha. Nur dass die im Regelfall nicht blond waren, sondern dunkel, die Geishas.
    »Ich bringe dir den Wohnungsschlüssel wieder«, begann ich behutsam. »Außerdem wollte ich dich fragen, ob dir vielleicht noch was eingefallen ist?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. »Ich grübele dauernd darüber nach«, sagte sie schließlich leise. »Aber mir fällt nichts ein.«
    »Kennst du einen gewissen Schiller?«
    »Den alten Messi? Ach je, den habe ich ja total vergessen!« Bettina wirkte erschüttert. »Ich habe eine Liste für die Beerdigung gemacht, eine Liste von Leuten, die informiert werden mussten, damit sie von meinem Vater Abschied nehmen konnten. Dabei habe ich gemerkt, dass ich eigentlich gar nicht so viel über ihn weiß, wie ich dachte.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, ich sah in sein Adressbuch. Da stand nicht viel drin. Weniger als bei mir. Erschreckend wenig irgendwie.« Sie sah mich traurig an. »Da waren Gerda und Ines und Volker und Barbara und Matthes, die alten Adressen durchgestrichen, aber keine neuen eingetragen. Nur bei Barbara stand eine neue Adresse. Dann ein paar Telefonnummern, viele davon schon wieder durchgestrichen. Außerdem die

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