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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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versöhnlichen Klang zu geben. »Dass man sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Und viele Erwachsene legen das nie ab.«
    Sie brauchte einen Moment, um das zu verdauen.
    »Das mit der Wohnung kann ich wirklich nicht glauben«, sagte sie schließlich. »Er war doch immer so knapp bei Kasse.«
    »Er wollte sie sogar bar bezahlen«, sagte ich sanft.
    »Was?« Diese Information schockte sie nun wirklich. »Das ist doch Unsinn!«
    »Nein. Ist es nicht. Er ist nur nicht beim Notartermin erschienen, weil er da schon tot war. Ich habe mit der Maklerin geredet. Bei dem Objekt handelte es sich um eine Wohnung am Duisburger Innenhafen.« Ich ließ ihr Zeit, auch diese Information zu verdauen.
    »Bar bezahlen … aber … er … woher hat er denn um Himmels willen das Geld gehabt?«
    Das genau war die Frage.
    »Mal angenommen«, begann ich leise, »rein hypothetisch natürlich, dein Vater wusste etwas über diesen Dr. Behrends und hat ihn erpresst.«
    »Aber doch nicht Paps!«
    »Warum nicht? Er war der ewige Verlierer. Das hast du selbst gesagt. Vielleicht wollte er auch mal gewinnen.«
    »Und du meinst, dass er dabei zu weit gegangen ist?«
    »Vielleicht. Wie gesagt, nur eine Vermutung.«
    Sie sah mich mit ihren riesigen Augen an und drehte sich dann zum Fenster. »Wenn das stimmt, ist er vielleicht untergetaucht vor seinem Tod und hat sich deshalb nicht bei mir gemeldet.«
    »Ja, daran habe ich auch schon gedacht«, stimmte ich zu. »Denn niemand scheint zu wissen, wo er in den letzten Wochen vor seinem Tod gesteckt hat. Du nicht, sein Freund Schiller nicht, die alte Clique nicht und auch nicht die Kollegen von der Arbeit. Hast du vielleicht eine Idee, wo er sich versteckt haben könnte – falls er das wirklich wollte?«
    Sie hob verneinend die Schultern und ließ sie wieder fallen. Eine Weile betrachtete ich ihren schmalen Rücken und wartete, ob sie noch etwas sagen würde. Aber es kam nichts mehr.
    »Schade.« Ich seufzte. Gerade wollte ich meinen Rucksack greifen und gehen, als sie sich räusperte.
    »Vielleicht ist er ja in Onkel Gerhards Jagdhütte gewesen«, sagte sie nachdenklich.
    »Onkel Gerhard?«, fragte ich.
    Bettina drehte sich wieder zu mir um. Sie hatte sich gefasst. »Onkel Gerhard ist eigentlich kein Onkel von mir«, erklärte sie. »Ein Cousin zweiten Grades von meinem Vater, irgendwie so was. Er ist erheblich älter als Paps. Und er hat eine Jagdhütte. Als ich noch klein war, sind wir manchmal für ein Wochenende dorthin gefahren. Die Hütte liegt mitten im Wald, oben auf einem Berg. Morgens haben die Rehe vor der Hütte gestanden. Ich fand das total klasse. Durfte dort am Bach spielen und allein im Wald umherstreifen. Hier in der Stadt hat er mich nie so allein gehen lassen. Später, als ich älter wurde, haben wir das nicht mehr gemacht. Diese Wochenenden dort, meine ich. Paps fand die Hütte nur noch unpraktisch und sehr karg.«
    »Und wieso meinst du dann, dass er dort war?«
    Bettina zuckte erneut mit den Schultern. »Das ist nur so eine Idee. Denn was eignet sich besser zum Untertauchen als eine Hütte mitten im Wald?«
    Da war was dran. »Wo liegt denn diese Hütte?«
    »Irgendwo im Märchenwald gaaaanz hoch oben.« Bettinas Stimme klang plötzlich anders. Seltsam hoch. Eine Kleinmädchenstimme. »Die Hütte wird bewacht vom Adalbert. Der Adalbert, das ist ein guuuuter Geist, der im Körper eines weißen Hirschs wohnt.« Sie lächelte süß.
    »Adalbert?« Befremdet sah ich sie an. Dieses Kleinmädchengehabe hatte etwas seltsam Irritierendes an sich.
    Sie schien meine Reaktion zu bemerken, denn sie fuhr mit normaler Stimme fort. »Über der Tür der Hütte hing ein ausgestopfter Hirschkopf. Ein weißer Hirsch. Ich fand das ziemlich gruselig, denn den Kopf musste man abnehmen, um in die Hütte hineinzukommen. Hinter der Platte, auf der der Kopf befestigt war, war ein Brett lose: Dahinter war der Schlüssel versteckt. Und weil ich mich vor dem Hirschkopf so fürchtete, hat Paps für mich das Märchen vom guten Geist Adalbert erfunden.«
    »Ach so. Und wo liegt nun diese Hütte?«
    »Tut mir leid, ich weiß nicht, wo die liegt. Da müsstest du schon Onkel Gerhard fragen. Ich weiß nur, dass wir freitags nach der Schule losgefahren sind und sonntagabends wieder zurück. Die letzten Kilometer ging es über einen holprigen Weg mitten durch den Märchenwald. Da wusste ich immer, dass wir bald ankommen würden.«
    »Wie kann man diesen Gerhard erreichen? Kannst du ihn anrufen?«
    Sie schüttelte den

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