Innere Werte
kommen, auseinandernehmen.«
»Jetzt mach mal langsam. Es reicht, wenn deine Freundin dich für James Bond hält«, scherzte Michael.
»Das wär nicht der Hammer«, Martin sah Paul eindringlich an. »Das wäre absolut ätzend.«
»Für die Empfänger der illegal beschafften Organe wohl nicht«, überlegte Dieter. »Ich könnte mir vorstellen, dass die das für legitim halten. Sie bezahlen ja dafür. Also ist es im Grunde nichts weiter als ein Geschäft. Und wenn –«
»Geschäft! Das ist das Stichwort«, unterbrach ihn Martin. »Welche Art von Geschäften hat Gleisinger gemacht, um seine Spielsucht zu finanzieren? Und was ist mit Anja Schulte? Wie konnte sie so viel Kohle scheffeln? Auch Bielmann passt da ins Bild, weil er irgendwie an Geld kommen wollte. Alle hatten irgendeine Einkommensquelle und wenn ihr mich fragt, eine illegale. Und diese Quelle scheint mir die Verbindungsstelle zu sein. Beide Männer kannten die Schulte. Die Frage ist: Kannte der eine den anderen?« Fragend blickte er in die Runde. »Ich will endlich wissen, wie das alles zusammenhängt.«
»Wir sollten Gleisinger mal fragen, woher er sein Spielgeld hat«, schlug Michael vor.
»Unbedingt! Und zwar heute noch.« Martin warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Mist!«, fluchte er. »Schon vier! Es gibt noch jede Menge zu tun.«
»Der Tag hat vierundzwanzig Stunden und wenn das nicht reicht, nehmen wir die Nacht noch dazu.« Michael schob sich vom Schreibtisch und lächelte, als ob sie Zeit ohne Ende hätten und es nichts Leichteres auf der Welt gäbe, als all die Fragen zu klären.
»Ich fahr zuerst bei diesem Dialysezentrum vorbei«, erklärte Martin und wandte sich an Dieter. »Ich möchte, dass du dir einen Überblick über die Anzahl der Hirntoten in der Humboldt-Klinik verschaffst, die als Spender genutzt wurden. Wenn möglich, vergleich die Zahlen mit anderen Kliniken.«
»Und was machen wir?«, wollte Paul wissen.
»Ihr fragt bei der KTU nach, was Wellners PC und seine Unterlagen machen. Dann holt ihr mir den Gleisinger her.«
51
»Der is doch die meischt Zeit net dahaam.« Der Mann, der Paul und Michael im Treppenhaus gegenüberstand, hatte einen vollen Abfalleimer in der Hand und war offensichtlich auf dem Weg zur Mülltonne. Er war um die vierzig und wirkte ziemlich ungepflegt. Der spärliche Rest seiner Haare hatte lange kein Wasser, geschweige denn Shampoo gesehen. Der lilafarbene Jogginganzug hing formlos um seinen massigen Körper und die Hausschuhe waren an den Nähten aufgerissen.
»Haben Sie eine Ahnung, wo Herr Gleisinger sich zur Zeit aufhalten könnte?«, fragte Paul.
»Ei, der werd in de Spielbank sein«, antwortete er in hessischem Platt. »Um die Uhrzeit geht’s meischtens los. Am liebschte geht er do unne ins Casino beim Theater.« Er begann zu lachen. »Der Udo hoat do immer Spaß.«
»Wenn er verliert, bestimmt nicht«, konnte sich Paul nicht verkneifen zu sagen.
»Jo, do hon se sicher recht, aber der Udo is en Optimischt.« Anerkennung für den Nachbar schwang in seiner Stimme mit. »Der lässt sich nit unnerkrien.«
Der Mann wechselte den Eimer in die andere Hand und damit auch seinen Gesichtsausdruck. Er blickte die Männer aus braunen Augen, die plötzlich leer und leblos wirkten, an. Sein Lachen war heruntergezogenen Mundwinkeln gewichen. »Der Udo hoat wenigschtens noch en Hobby. Der mescht noch was aus seinem Lewe.«
Der Mann starrte in seinen Abfall und schwieg. Paul und Michael warfen sich einen Blick zu. Beide spürten in diesem Moment die Hoffnungslosigkeit und Langeweile, die diesen Mann zu erfüllen schienen.
»Für das Hobby braucht man aber auch das nötige Kleingeld. Haben Sie …« Noch bevor Michael seine Frage stellen konnte, sprudelte es schon aus Gleisingers Nachbar heraus.
»Der hot schon seine verschiedene Quelle. Obwohl …«, nachdenklich runzelte er die Stirn, »in letschter Zeit hoat er do demit Probleme gehoat.«
»Was für Probleme?«
»Ei, die Fraa, von der er manchmol Geld kriet hoat, is aach nit mehr so flüssich, saat er. Jetzt muss er halt siehn, wie er zurechtkimmt.«
»Wissen Sie, wie die Frau heißt?«
»Nee, Name hoat er nie gesaat.«
Michael bedankte sich und der Mann schlurfte davon.
»Was für ein Scheißleben der hat!« Michael blickte ihm hinterher.
»Selbst Schuld!«, entgegnete Paul verständnislos. »Der ist doch erst vierzig oder so. Wenn er wollte, könnte er noch was aus seinem Leben machen.«
»Das ist nicht immer so
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