Innere Werte
lautete immer kurz und gleichbleibend:
Udo war da! 500 Euro.
Jetzt war klar, dass die Freundschaft zwischen den beiden eine rein monetäre Basis hatte.
Ebenso fand sich nichts, was auf die Arbeitsweise der Organisation hindeutete, wo operiert wurde und woher die Empfänger kamen.
Martin griff zum Telefon und rief seine Kollegen zu sich, um sie über die Neuigkeiten zu informieren.
»Das ist ja der Hammer!«, sagte Dieter, als Martin seinen Bericht beendet hatte. »Dann wissen wir jetzt, dass Bielmanns Tod sozusagen ein Unfall war und auf Kosten dieser Organisation geht.«
»Da steckt bestimmt der Wellner dahinter.«
»So sehe ich das auch«, pflichtete Martin Paul bei. »Und deshalb werden wir uns den sofort nochmal vorknöpfen. Aus dem muss doch was rauszukriegen sein. Außerdem geht einer von euch nochmal zur Bank und besorgt sich eine Liste von Kunden oder ehemaligen Kunden, deren Kredite innerhalb der letzten zwei Jahre abgelehnt worden sind, bevorzugt die, die Rudolf Eltges betreut hat. Es muss sich doch einer finden lassen, der seine Niere über die Schulte verkauft hat.« Martin lief nervös hin und her. »Zu Tobias will ich auch noch. Der Junge war ziemlich fertig. Ich will sehen wie’s ihm geht.« Er verharrte vor seiner Bilderwand und tippte auf das Foto von Udo Gleisinger. »Und den hier, den will ich endlich sprechen.«
»Das werden wir heute auch«, sagte Michael. »Vor einer Stunde hat diese Nachbarin angerufen. Gleisinger kam heute Morgen nach Hause, ist aber kurz danach wieder weg. Er wollte sich was zum Anziehen kaufen und heute Abend in die Spielbank gehen.«
»Dann hoffen wir mal, dass die Info stimmt und wir ihn später da auch antreffen. Sicherheitshalber will ich aber eine Streife vor seinem Haus.«
58
»Ich hoffe, Sie hatten angenehme Feiertage?«, fragte Martin so höflich wie möglich, während er sich ungefragt in einen schwarzen Ledersessel in Steffen Wellners Arbeitszimmer fallen ließ.
»Was wollen Sie schon wieder hier?«, fragte der Arzt argwöhnisch.
»Ich wollte Sie nur darüber in Kenntnis setzen, dass Ihre Patientenakten einwandfrei sind.«
»Sehen Sie.« Wellners Misstrauen verschwand und er lächelte Martin selbstbewusst an.
»Allerdings habe ich da noch eine Frage. Wir haben Aufzeichnungen von Anja Schulte gefunden, die belegen, dass Sie gemeinsam mit ihr Organhandel betrieben haben. Ich würde gerne Näheres dazu erfahren.«
Martin schlug bequem die Beine übereinander, während Wellner ihm den Rücken zukehrte und langsam zum Schreibtisch ging. Dort setzte er sich auf seinen Stuhl.
Er braucht Zeit, um sich seine Antwort zu überlegen, dachte Martin und beobachtete ihn genau.
Auch Dieter, der in dem anderen Sessel saß, wartete gespannt, ob Wellner den Bluff durchschaute.
»Herr Kommissar«, begann Wellner und lächelte. »Was haben Sie sich denn da wieder ausgedacht?«
»Frau Schulte hat, ob Sie’s glauben oder nicht, Tagebuch geführt. Ihr kleines, lukratives Geschäft mit Lebendspendern ist prima beschrieben.«
»Das kann gar nicht sein, denn ich betreibe keinen illegalen Organhandel. Vielleicht hat sie mit anderen Ärzten zusammengearbeitet. Sie hatte schließlich Kontakt zu vielen Transplantationsfachleuten in Deutschland, als Tobias’ Niere versagt hat.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich verpflanze ausschließlich Organe, die wir von Toten bekommen. Alles andere wäre ja Wahnsinn.«
»Und die ausschließlich über Eurotransplant zugeteilt werden?«
Wellner seufzte. »Sie kriegen es ja doch raus. Also kann ich es Ihnen auch gleich sagen. Wenn Sie Nachforschungen bei Eurotransplant anstellen, werden Sie feststellen, dass wir das ein oder andere Mal eine Niere implantiert haben, die nicht über Transplant gelaufen ist.«
»Sondern?«
»Wenn wir hier einen Hirntoten haben, klären wir sofort ab, ob im Wiesbadener Dialysezentrum ein Patient ist, der als Empfänger infrage kommt. Das ist hin und wieder der Fall gewesen. Wir haben dann diesem Patienten, ohne Eurotransplant darüber zu informieren, die Niere implantiert. Zugegebenermaßen ist das nicht ganz fair, aber wenn man die persönlichen Schicksale der Leute kennt, versucht man ihnen zu helfen.«
»Ich schätze, dass sich das an der Grenze der Legalität bewegt?«
»Bis vor einigen Jahren war es nicht strafbar. Mittlerweile gibt es ein Gesetz, das diese Praxis verbietet. Aber das Ganze ist doch eher eine ethische Frage als eine juristische. Wer will vollkommen gerecht
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