Innere Werte
erledigt haben. Paul, du überprüfst, ob der Wellner weitere Immobilien besitzt. Ich fahre jetzt kurz zu Tobias. Wenn ich zurück bin, will ich was hören. Und dann holen wir uns den Gleisinger.« Martin riss seine Jacke vom Stuhl und rauschte davon.
»Wow! Der ist geladen«, sagte Paul.
»Dann ist es besser, wir tun, was er sagt und das ziemlich gut.« Dieter setzte sich in Bewegung.
»Also, so wie immer!«, lächelte Michael.
Martin traf Tobias zu Hause an. Die Männer setzten sich in die Küche und tranken ein alkoholfreies Bier zusammen.
»Mir kommt es so vor, als hätte ich meine Mutter nicht richtig gekannt.« Tobias sah Martin direkt in die Augen. »Ich fühl mich wie in einem schlechten Film, wo die Schauspieler ein Doppelleben ihrer Angehörigen aufdecken.«
»Das glaub ich dir aufs Wort.«
Beide nahmen einen großen Schluck aus der Flasche.
»Ich weiß gar nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll«, fuhr Tobias fort. »Ich meine, ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Vielleicht bin ich schuld, dass sie diesen Nierenhandel angefangen hat.« Tobias drehte die Flasche in seinen Händen.
»Wieso du?«
»Naja, könnte doch sein, dass sie durch meine Nierenerkrankung drauf gekommen ist, mir und anderen helfen zu wollen, indem sie Leuten anbietet, ihre Niere zu spenden.«
»Natürlich ist das möglich. Aber wir wissen nicht, seit wann deine Mutter dieses Geschäft betrieben hat. Das Tagebuch reicht nur zwei Jahre zurück. Wenn man ihre guten Einnahmen betrachtet und diese auf den Organhandel zurückführt, müsste sie schon vor etwa zehn Jahren damit angefangen haben.«
»Das kann ich kaum glauben.«
»Ich frage mich, ob sie auch deine neue Niere beschafft hat?«
»Das habe ich mich auch gefragt. Und ich sage Ihnen, die Vorstellung ist nicht besonders toll. Aber ich habe meine Krankenakte hier. Vielleicht können Sie überprüfen, woher die Niere kam?«
»Das kann ich auf jeden Fall versuchen.«
Tobias lief nach oben und kam mit einem schmalen Ordner wieder zurück.
»Hier, da ist alles drin. Es wäre toll, wenn Sie was rausbekämen. Aber im Grunde glaube ich nicht, dass sie nachgeholfen hat. Erstens wäre ich dann sicher nicht so lange an der Dialyse gewesen und zweitens würde das bedeuten, dass sie für Dr. Wellner gearbeitet hätte. Der hat mich ja schließlich operiert.«
»So sieht’s aus.«
»Sie sagen das so, als ob sie glauben, dass es so war.«
»Es besteht zumindest die Möglichkeit.«
»Ja, ist schon ein ziemlicher Zufall, dass meine Mutter ausgerechnet diese Art von Geschäften gemacht hat und ihn kannte.«
»Ich glaube nicht an Zufälle.«
»Das passt zu Ihnen!«
»Warum?«
»Weil Sie ein Siegertyp sind, und kein Sieger glaubt an Zufälle.«
»Und du? Glaubst du daran?«
»Dann wär ich nach meiner Theorie ein ziemlicher Loser, der mit seiner kranken Niere aus Versehen auf die Verliererstraße geschliddert ist. Nein! Es muss wohl einfach Schicksal oder eine Art Strafe von oben sein, dass ausgerechnet der Sohn einer Organhändlerin eine Niere gebraucht hat. Gott würfelt schließlich nicht.«
»Das Leben kommt einem manchmal seltsam vor, weil man nie so kompliziert denken kann, wie es plötzlich kommt.«
»Werden Sie Dr. Wellner jetzt auf den Zahn fühlen?«, fragte der Junge und blickte Martin ernst an.
»Mit Sicherheit.«
»Glauben Sie, Sie bekommen was raus?«
»Wenn er beteiligt ist, dann schon. Aber sag mal, war eigentlich noch was im Schließfach? Vielleicht der Fahrzeugbrief von dem Saab?«
»Nein, das Tagebuch war das Einzige.«
»Bist du jetzt sauer auf deine Mutter?«
»Erst war ich schon geschockt. Aber dann … Naja, sie ist meine Mutter. Ich denke, ich bin nicht wirklich sauer. Wissen Sie, ich war ein Betroffener, der eine Niere gebraucht hat. Da denkt man anders über Organspende. Man muss sich eigentlich nicht wundern, wenn solche heimlichen Aktionen stattfinden. Würde jeder nach dem Tod spenden, gäbe es sicher keinen illegalen Handel.«
»Möglicherweise hast du recht.« Nachdenklich betrachtete Martin den jungen Mann. Schweigend tranken sie ihr Bier aus.
60
Als Martin im Präsidium eintraf, erhielt er von Paul unaufgeforderten Bericht.
»Die anderen sind schon unterwegs zu den Bankkunden. Sie haben wieder fünf Leute vom Rauschgiftdezernat bekommen. Jetzt heißt es, Hosen runterlassen.«
»Hosen runter?« Verständnislos schüttelte Martin den Kopf und setzte sich.
»Sie werden alle bitten, die Hosen runterzulassen,
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