Innere Werte
Gesicht in seine Hände. »An dir zum Beispiel kann ich mich richtig erfreuen.« Er lächelte verheißungsvoll. Dann küsste er sie, hob sie auf seine Hüften und trug sie in sein Zimmer.
Während der letzten beiden Tage waren sie nicht aus dem Haus gegangen. Stundenlang hatten sie erzählt, sich Filme angesehen und sich geliebt. Katrins Einwände, dass sie mit ihren achtundzwanzig Jahren zu alt für Tobias war, wies er strikt zurück. Mit seiner charmanten Art konnte er sehr überzeugend sein. Für ihn war Katrin endlich eine Frau, die ihn verstand. Und ihre Hilflosigkeit brachte in ihm den Beschützerinstinkt zum Vorschein. Ein Gefühl, das er bisher nicht gekannt hatte und das ihn erregte. Die Nächte mit Katrin waren voller Zärtlichkeit, voller Trost, den sie sich gegenseitig spendeten. Wie zwei einsame Seelen, die sich endlich gefunden hatten.
Aber an diesem Morgen erfüllte ihn eine Leidenschaft, die noch keine Frau in ihm hervorgerufen hatte. Er riss erst sich, dann ihr förmlich die Kleider vom Leib und begann sie zu küssen. Seine Zunge glitt über ihren Hals hinunter zu ihrem Busen. Mit geschickten Fingern streichelte er ihren Körper, bis er es nicht mehr aushielt und in sie eindrang. Katrin wölbte sich ihm entgegen und genoss seine Berührung, die all die schrecklichen Gedanken in ihrem Kopf verschwinden ließ. Diesmal bewegte er sich nicht langsam und beherrscht, flüsterte ihr keine zärtlichen Worte ins Ohr. Sie klammerte sich an ihn, während er immer heftiger in sie hineinstieß. Er war wie ein Ausgehungerter, der sich begierig nach der Befriedigung seiner Lust verzehrte.
Kurz nacheinander kamen sie zum Höhepunkt.
Als er sich neben sie rollte, meinte sie, in seinen Augenwinkeln Tränen schimmern zu sehen. Sie sagte nichts, kuschelte sich an ihn und hielt ihn im Arm.
Nur Minuten später klingelte es an der Haustür. Tobias warf sich einen Bademantel über und öffnete.
»Oh!«, sagte er, sichtlich erschrocken. »Herr Sandor!«
»Hallo, Tobias! Ich wollte sehen, wie es dir geht.«
»Ich, … mir geht es ganz gut, danke.« Er schielte verstohlen in Richtung Treppe, während er den Kommissar hereinbat. »Ich bin froh, wenn die Uni wieder anfängt. Dann komme ich auf andere Gedanken.«
»Das ist sicher eine gute Ablenkung«, nickte Martin. »Hab ich dich geweckt?«
»Nein, nein! Ich hab nur ein bisschen rumgegammelt.«
»Ich will dich nicht lange stören.«
»Schon o.k.«
Sie setzten sich ins Wohnzimmer.
»Gibt’s was Neues? Haben Sie Dr. Wellner gefragt, was meine Mutter von ihm wollte?«
»Hab ich. Aber leider weiß er das selbst nicht, denn er hat sie gar nicht gesprochen. Auf dem Weg zu ihr hatte er eine Autopanne. Aber er sagt, deine Mutter hat ihn manchmal angerufen, um ihm ihr Leid zu klagen.«
»Ihr Leid klagen? Was soll das denn heißen?«
»Sie war deinetwegen wohl sehr besorgt und nervlich manchmal ziemlich fertig. Dr. Wellner hat sie dann ein bisschen aufgebaut, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Glauben Sie ihm das?« Skepsis lag im Blick des jungen Mannes.
»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich glauben soll. Denn von mehreren Seiten höre ich, dass deine Mutter eher eine starke, selbstbewusste Frau war. Da passt die Schilderung von Dr. Wellner, sie sei ein oftmals deprimiertes Mütterchen gewesen, nicht so recht ins Bild.«
»Wirklich nicht. Meine Mutter war zwar um mich besorgt, aber nach der OP ging es mir gut. Warum sollte sie ein Problem mit meinem guten Gesundheitszustand haben? Wir waren doch beide froh darüber.«
»Vielleicht hat sie der große Aufwand für deine Ernährung belastet?«
»Das wüsste ich aber. Meine Mutter hätte mich wissen lassen, wenn ihr das zu viel geworden wäre. Sie hat immer gesagt, was sie dachte. Außerdem ist das überhaupt nicht aufwendig.«
»Warum könnte Dr. Wellner das dann gesagt haben?«
»Ich weiß es nicht. Meine Mutter hat ihn schon seit Monaten nicht mehr erwähnt. Glauben Sie, er hat was mit ihrem Tod zu tun?«
»Tobias, was ich glaube, spielt keine Rolle. Jedenfalls hat er ein Alibi.«
»Dann bin ich ja beruhigt.«
»Warum? Wäre es dir nicht lieber, wir hätten endlich einen Täter?«
»Schon, aber es muss ja nicht Dr. Wellner sein. Er ist mein Arzt und er war immer gut zu mir. Die Vorstellung, dass er …«, Martin hörte Tobias schlucken. »Naja, das fänd ich halt schrecklich.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Martin und überlegte, ob sich Steffen Wellner seinen Patienten gegenüber
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