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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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Übelkeit, die aber von der Gehirnerschütterung kommt.
     
    8.5.: Jetzt, wo Tobi im Krankenhaus liegt, kommt mir eine Idee, die mir keine Ruhe mehr lässt. Als es hieß, dass er innere Verletzungen haben könnte, kam ich darauf. Es ist wie ein Wink des Schicksals. Ich könnte durch ihn eine Menge Geld verdienen. Immerhin könnte ich von diesem Geld später mal seine Ausbildung bezahlen. Er ist im Grunde ein gesunder Junge, der auch eine gewisse Verantwortung sich selbst und mir gegenüber hat. Ist es da nicht recht und billig, dass er sich an der Finanzierung seiner Zukunft beteiligt? Ich werde mit Steffen darüber sprechen.
     
    Was zum Teufel meint sie damit?, überlegte Martin. Doch nicht etwa …
     
    9.5.: Ich habe es beschlossen und Steffen unterstützt mich. Es ist eine geniale Idee. Das Schicksal hat es praktisch so gewollt, als Tobi sich bei dem Unfall verletzt hat. Wir werden seine Niere verkaufen!
     
    »Nein!«, rief Martin. »Nein! Das kann doch nicht wahr sein.« In ihm stieg eine unbeschreibliche Wut hoch. Hatte diese Frau das tatsächlich getan? Hatte sie den Körper ihres eigenen Sohnes als Warenlager genutzt? So etwas konnte doch nicht wahr sein. Welche Mutter würde das tun?
     
    10.5.: Steffen trifft die Vorbereitungen. Er hat einen Ultraschall bei Tobi gemacht und ihm schon gesagt, dass mit seiner Niere was nicht stimmt. Steffen kann unglaublich gut schauspielern. Ich hätte fast mit Tobi geweint, so echt hat er es rübergebracht. Er hat ihm erzählt, dass sich morgen entscheidet, was sie tun müssen. Inzwischen sucht er nach einem geeigneten Empfänger.
     
    Sie tun es tatsächlich. Martin rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, als ob er so aus einem bösen Traum erwachen könnte. Er hatte fast das Gefühl, als passiere das Geschriebene gerade eben.
     
    11.5.: Der Empfänger ist gefunden. Ein junger Mann. Seine Eltern sind stinkreich und bezahlen 100.000   Euro. Steffen hat Tobi gesagt, dass sie ihm eine Niere rausnehmen müssen. Ich war nicht dabei! Ich hätte es nicht ertragen, Tobi weinen zu sehen. Er wird drüber hinwegkommen. Mit einer Niere lebt es sich schließlich genauso gut.
    Abends hab ich mit Steffen auf unseren Deal angestoßen. Und das nicht nur mit Gläsern. Wir waren beide ganz schön beschwipst. Aber es war affenscharf!
     
    Martin knallte das Buch zu. »Ich glaub, ich muss gleich kotzen!«, schrie er in die Stille, stand auf und lief fluchend zum Fenster. Er legte seine Stirn gegen die kalte Scheibe und schloss für einen Moment die Augen. Das quälende Bild eines Jungen, der traurig und einsam im Krankenhaus liegt, während sich seine Mutter anderswo vögeln lässt, ergriff ihn. Langsam ging Martin zum Schreibtisch zurück, setzte sich wieder und atmete tief durch. Dann schlug er die Seite wieder auf. Es half nichts, er musste das bis zum bitteren Ende lesen.
     
    12.5.: Heute war es soweit. Tobi hat die OP gut überstanden. Steffen hat wieder mal meisterhaft gearbeitet. Auch die Verpflanzung hat prima geklappt. Wir sind alle happy!
     
    Martin versuchte, nicht zu viele Gefühle hochkommen zu lassen. Aber es fiel ihm schwer, nicht dauernd an das Verbrechen zu denken, das Anja Schulte an ihrem Sohn begangen hatte. Er las das Tagebuch in Gesellschaft von mehreren Tassen Kaffee bis zu Ende und fühlte sich anschließend völlig ausgelaugt.

82
     
    Inzwischen hatte sich Paul die genaue Adresse des Ferienhauses geben lassen und einen Durchsuchungsbeschluss dafür erwirkt. Die Kollegen in Bremen hatten sich sofort an die Arbeit gemacht. Da das Ferienhaus sehr klein war, lagen bereits zwei Stunden später die Ergebnisse vor, von denen Paul seinem Chef berichten wollte. Gefolgt von Michael und Dieter, ging er zu Martin und streckte den Kopf zur Tür herein.
    »Kommt rein. Ich bin fertig!«, sagte Martin und winkte die Kollegen zu sich.
    »Ja«, sagte Michael. »So siehst du auch aus.«
    »Ich hab immer geglaubt, dass ich schon alle Sorten Verbrecher kenne«, sagte er und blickte auf das geschlossene Tagebuch. »Aber dem ist nicht so. Es gibt immer noch eine Steigerung. Es ist unglaublich.«
    »Kotz dich aus!«, forderte Michael ihn auf.
    »Das könnte ich wirklich.« Und Martin berichtete in aller Ruhe vom Inhalt des Buches. Die Kollegen waren ebenso entsetzt wie er. An der anschließenden Diskussion beteiligte sich Martin kaum. Er war nicht länger wütend, er war einfach nur traurig und erschöpft. Irgendwann unterbrach er seine Männer.
    »Lasst uns überlegen, wie wir

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