Innere Werte
weitermachen.«
Paul berichtete nun von der Durchsuchung des Ferienhauses, die allerdings nichts zutage befördert hatte, was für die Ermittlungen relevant sein könnte. Der Bericht der Kollegen würde morgen früh schriftlich vorliegen. Auch die Spurensicherung vor Ort hatte nichts in Katrin Buhrs Wohnung gefunden.
Ein Blick zur Uhr verriet, dass der Feierabend rief. Martin schickte seine Leute nach Hause und brachte den Staatsanwalt auf den neusten Stand. Aufgrund der Erwähnung von Steffen Wellner und Theo Stadler im Tagebuch, erließ der Richter einen Haftbefehl gegen Wellner.
Dann fuhr Martin selbst gen Heimat, in der Hoffnung, im Schlaf wenigstens für ein paar Stunden vergessen zu können. Doch ihn beschäftigte eine Frage so intensiv, dass die Nacht für ihn sehr kurz wurde: Sollte er Tobias das Tagebuch lesen lassen? Natürlich hatte er ein Recht darauf. Martin spielte mit dem Gedanken, es einfach zu verlieren. Was nützten dem Jungen jetzt noch solche schrecklichen Enthüllungen? Es würde ihn nur unnötig quälen. Hatte er in seinem jungen Leben nicht schon genug durchgemacht?
Der nächste Morgen begann verregnet. Tauwetter hatte eingesetzt und die Straßen waren voller Schneematsch.
»Trübes Wetter, was?«, begrüßte Dieter die anderen drei, als er zuletzt eintrudelte.
»Passt zu meiner Stimmung«, entgegnete Martin.
»Den Fahrer des Wagens, der Susanne Wellner überfahren hat, hat man immer noch nicht ausfindig gemacht und es sieht auch so aus, als ob das nicht mehr gelingt«, fasste Michael den entsprechenden Bericht kurz zusammen. »Die Spuren waren nicht eindeutig genug.«
»Das sind ja mal richtig gute Nachrichten«, tat Martin erfreut und stützte seinen Kopf in die Hände.
»Die Berichte aus Bremen sind gekommen.« Paul legte eine ganze Mappe voller Papiere auf den Schreibtisch. »Die Kollegen haben den ganzen Papierkram gescannt und geschickt. Da sind auch Fotos vom Ferienhaus dabei.« Er breitete alles aus.
Mehr oder weniger gelangweilt warf Martin einen Blick darauf. Plötzlich entdeckte er etwas, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er griff nach einem Foto, das die Wand eines Wohnzimmers zeigte. Dort hingen etliche eingerahmte Fotografien.
»Was siehst du Spannendes?«, fragte Michael.
»Es sieht so aus, als ob auf dem einen Foto Tobias drauf ist. Hier!« Er tippte mit dem Finger darauf. »Er steht vor diesem Ferienhaus, wenn ich das richtig erkenne.«
»Na und? Es ist sein Ferienhaus.«
»Aber auf dem Foto ist er vielleicht neunzehn oder zwanzig Jahre alt. Dabei hat er mir gestern erzählt, dass er, seit er fünfzehn ist, nicht mehr da war.«
»Vielleicht war er ja nur mal kurz oder dieses eine Mal da und hat nicht mehr dran gedacht. Ist das nicht egal?«
»Ich weiß noch nicht.« Nachdenklich besah sich Martin die Fotos und Unterlagen. Dann ließ er sich mit Katrin Buhr in der JVA verbinden.
»Danke, dass Sie mit mir sprechen«, sagte Martin zu Beginn. »Ich habe eine Frage zu diesem Tagebuch. Bitte sagen Sie mir, wo genau in dem Haus haben Sie es gefunden?«
»Es lag im Küchenschrank neben den Gläsern.«
»Ganz offen und zugänglich?«
»Ja.«
»Hat Ihnen Tobias gesagt, wann er oder seine Mutter zuletzt da waren?«
»Wann zuletzt weiß ich nicht, aber er hat gesagt, dass er so ungefähr zwei-, dreimal pro Jahr hinfährt. Meistens bleibt er dann eine Woche oder zwei. Seine Mutter ist wohl seit Jahren nicht mehr in dem Haus gewesen. Sie mochte es nie und wenn Tobias nicht darauf gedrängt hätte, es zu behalten, hätte sie es längst verkauft.«
Martin bedankte sich und legte auf. Die Kollegen starrten ihn fragend an.
»Du bist total blass, Martin. Was ist denn?« Dieter beugte sich zu ihm hinunter.
»Ich glaub, mir wird schlecht.«
Paul reichte ihm ein Glas Wasser, das er in einem Zug leerte.
»Tobias hat gelogen, als er sagte, er wäre seit Jahren nicht mehr da gewesen, nur seine Mutter. Das Gegenteil ist der Fall. Und dafür kann es nur einen Grund geben. Er wollte nicht, dass wir wissen, dass er von dem Tagebuch weiß. Es befand sich im Küchenschrank. Das bedeutet: Er muss es gesehen haben.«
»Und das bedeutet: Er hat es gelesen.«
»Wahrscheinlich.«
»Vielleicht hat er es nur nicht gesagt, weil er die Sache verdrängt.«
»Ich weiß nicht.« Zweifelnd schüttelte Martin den Kopf. »Wenn dem so ist, hätte er uns das erste Tagebuch schon nicht gezeigt.«
»Ja, warum hat er das eigentlich gemacht?«
»Mein Gott!«, rief Martin, als ihn die
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