Innere Werte
danke.«
Martin schenkte allen eine Tasse aus der bereitgestellten Kanne ein.
»Wissen Sie, wie es Steffen Wellner geht?«, fragte Tobias.
»Ich habe auf der Fahrt hierher im Krankenhaus angerufen. Er lebt, aber es geht ihm den von dir herbeigeführten Umständen entsprechend. Was glaubst du wohl?«
»Ich glaube, er leidet an irreversiblem Nierenversagen.«
»Und genau das war deine Absicht?«
»Genau das. Er soll an die Dialyse und so leiden, wie ich jahrelang gelitten habe. Jeden einzelnen seiner beschissenen, restlichen Lebenstage soll er daran denken müssen, was er für ein Schwein ist und was er vielen Menschen angetan hat.«
»Delia Wolff wird wohl auch jeden einzelnen ihrer beschissenen, restlichen Lebenstage daran denken müssen, und an dich ganz speziell.«
»Ich wollte ihr nicht wirklich etwas antun. Sie ist nur die hörige Schlampe vom Wellner. Aber sie hat meine Nierenentnahme nicht verhindert und all die OPs mitgemacht.«
»Was hast du mit Wellner gemacht?«
»Ich habe ihm einen Mix aus Ferumoxtran und Lasix gespritzt. Das eine ist ein Kontrastmittel, das andere ein Diuretikum, ein Medikament zum Entwässern. In der Kombination und hochdosiert führt beides zusammen zu sofortigem Nierenversagen. Irreversibel!«
»Wie bist du auf das Zeug gekommen?«, wunderte sich Michael.
»Ich hab bei einem Arzt angerufen und mich als Krimiautor ausgegeben, der ein entsprechendes Medikament für seinen Mörder sucht.«
»Und der hat dir einfach so Auskunft gegeben?«
»Sogar sehr gerne. Er war eifrig bemüht, das Passende zu finden, und hat mir den Mix dann vorgeschlagen. Blanko-Rezepte hab ich aus Wellners Notfallkoffer genommen. Damit war es kein Problem, das Zeug in der Apotheke zu kriegen.«
»Warum hast du Wellner und die ganze Bande nicht einfach angezeigt? Warum musstest du so ein Massaker anrichten?«
»Wissen Sie, was die Höchststrafe für Organhandel ist? Fünf Jahre.« Er hielt die Finger seiner rechten Hand nach oben. »Das rutscht man doch auf einer Arschbacke ab, wenn man weiß, dass in der Freiheit ein riesiges Vermögen auf einen wartet.«
Martin lehnte sich zurück und nippte am Kaffee. »Lass uns jetzt von deiner Mutter reden. Erzählst du mir, was an dem Abend passiert ist?«
»Ich könnte sagen, dass ich damit nichts zu tun habe, denn sie haben keine Beweise für das Gegenteil. Aber dann würden Sie es vielleicht Katrin weiter anlasten. Und das geht nicht.«
Tobias berichtete, dass er Wellner die E-Mail mit der Bitte, zur Eisernen Hand zu kommen, geschickt hatte, damit er später kein Alibi für die Tatzeit hätte. Er hatte seine Mutter zum Feiern überredet, weil er angeblich eine gute Klausur geschrieben hatte. Schon zu Hause hatte er ihr einige hochprozentige Alkopops zum Trinken gegeben. Tobias wusste, dass der Alkohol durch den hohen Zuckergehalt und die Kohlensäure schnell ins Blut gelangte. Dann war er mit ihr in den Wald gefahren. Dort hatten sie auf einer Bank gesessen und weitergetrunken. In eines der Alkopop-Getränke hatte er das Kalium gerührt. Als seine Mutter plötzlich eingeschlafen war, hatte er ihr die Jacke ausgezogen und sie auf die Bank gelegt. Dann war er mit dem Rad, das er im Kofferraum mitgenommen hatte, nach Hause gefahren. Dass man sie nackt und nicht auf der Bank aufgefunden hatte, hatte ihn zunächst irritiert.
Martin erinnerte sich, wie verwirrt Tobias ihn angesehen hatte, als er ihm davon berichtet hatte.
»Warum Kalium?«, wollte Martin wissen.
»Weil ich wusste, wie es wirkt. Außerdem hat es irgendwie eine Verbindung zu ihrem Scheißjob hergestellt.«
»Warum hast du ›Bitch‹ in den Boden gekratzt?«
»Die Autotür hat mich drauf gebracht. Ich fand das sehr passend für sie. Hätte ich gewusst, in welche Schwierigkeiten ich Katrin damit bringe, hätte ich es nicht getan. Aber zu dem Zeitpunkt kannte ich sie ja noch nicht.«
»Du magst sie sehr, was?«
»Ja«, sagte er leise.
»Du hättest aufhören können, als du sie kennengelernt hast.«
»Im Gegenteil. Die Schweine haben ihren Freund auf dem Gewissen. Sie haben ihn in den Kanal geworfen, damit er in der Kläranlage vom Schneckenpumpwerk zerstückelt wird.« Voller Abscheu blickte er Martin an.
»Glaubst du tatsächlich, dass das, was du getan hast, besser ist oder gerechtfertigt?«
Tobias schwieg eine Weile. Martin wartete.
»Es mag nicht besser sein«, sagte er schließlich. »Aber sie können das wahrscheinlich nicht verstehen. Seit ich fünfzehn war und sie sich an meinem
Weitere Kostenlose Bücher