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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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kannte.
    Ihr Haus hatte eine Wohnfläche von zweihundertzehn Quadratmetern. Für zwei Personen eigentlich zu groß, aber die beiden hatten sich bei der Besichtigung sofort in das Gebäude verliebt. Die Großzügigkeit und die Individualität des Hauses sowie die Lage direkt am Wald hatten es ihnen angetan und waren ihr Geld wert. Aber die Lage war nicht nur schön, sondern auch ausgesprochen praktisch. Denn alles, was man für den täglichen Bedarf brauchte, fand man in der näheren Umgebung, und nach Wiesbaden waren es auch nur fünfzehn Fahrminuten.
    Karla und Martin liebten ihr Zuhause. Die Räume waren hochwertig und geschmackvoll ausgestattet. Es gab eine Galerie im offen gehaltenen Wohn-Essbereich, die durch einen Glaserker reichlich Tageslicht bekam, und eine herrliche Loggia vor dem Schlafzimmer. Dort saßen sie oft am Abend und genossen den Anblick der untergehenden Sonne. Doch in den Wintermonaten zog es sie eher vor den offenen Kamin. Auch heute ließen sie sich dort nieder, nachdem sie einen ausführlichen Abendspaziergang gemacht hatten und völlig durchgefroren zurückkamen. Bei einem Glas Rotwein wärmten sie sich auf und genossen ihr gemütliches Heim.

9
     
    »Wir haben eine Vermisstenanzeige.« Mit diesen Worten kam Paul ins Zimmer gestürmt. »Ein Peter Bielmann wurde gestern Abend von seiner Freundin als vermisst gemeldet.« Er legte den Computerausdruck vor Martin auf den Schreibtisch.
    »Endlich geht’s voran.« Der Kommissar schien sichtlich erleichtert und besah sich das Blatt. »Lessingweg fünfzehn in Nordenstadt. Na, da hat er sich offensichtlich verbessert, was die Wohnlage angeht.«
    »Was das Leben angeht, eher weniger«, warf Michael ein.
    »Wissen wir irgendwas über diese Freundin?«
    »Noch nicht«, sagte Paul, »aber ich schaue sofort nach.«
    »Mach das und gib uns telefonisch Bescheid. Michael, du kommst mit mir. Wir fahren zunächst ohne KIT.« Wenn es nötig werden sollte, konnten sie das Kriseninterventionsteam immer noch anfordern. Zwei Kollegen von der Spurensicherung begleiteten sie.
    Gerade als sie die Biebricher Allee verlassen hatten und auf die A66 in Richtung Frankfurt aufgefahren waren, teilte Paul ihnen mit: »Katrin Buhr, achtundzwanzig Jahre alt, nicht aktenkundig, wohnt seit zwei Monaten in Nordenstadt.«
    Wie immer, wenn sie auf dem Weg zu einer Todesbenachrichtigung waren, sprachen sie nicht viel. Jedesmal überlegte sich Martin aufs Neue, wie man einem Angehörigen so eine Botschaft möglichst schonend beibringen konnte. Und jedesmal wusste er, dass es kein Patentrezept dafür gab, dass jede Situation anders war, so wie jeder Mensch, dem man diese schreckliche Nachricht überbrachte. Die Hilflosigkeit, die in einem solchen Moment von ihm Besitz ergriff, musste er immer wieder überwinden.
    Vielleicht, so hoffte er, war die Freundschaft zwischen Katrin Buhr und Peter Bielmann nicht so eng gewesen, dass die Frau es gut verkraften würde.
    Es war schon verrückt, dachte er. Einerseits wünschte man jedem ein wundervolles Familienleben und enge Freundschaften, andererseits hinderte das die Hinterbliebenen daran, schnell über den Tod eines geliebten Menschen hinwegzukommen. War das der Preis, den man dafür am Ende zu zahlen hatte? Um diesen seelischen Schmerz zu vermeiden, könnte man isoliert und einsam vor sich hin leben. Was für ein Unsinn schoss ihm da durch den Kopf. Martin schob diese Gedanken fort und konzentrierte sich auf den Verkehr. Obwohl der Berufsverkehr die Autobahn nicht mehr verstopfte, war das Verkehrsaufkommen immer noch hoch und die Autos quälten sich auf der linken Spur an der Schlange der LKWs vorbei. Die gut zehn Kilometer Wegstrecke hatten sie nach einer Viertelstunde bewältigt und fuhren an der Anschlussstelle Wiesbaden-Nordenstadt ab. Die Lessingstraße und ein Parkplatz direkt vor dem zweigeschossigen Haus mit der Nummer fünfzehn waren leicht zu finden. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass Katrin Buhr auch zu Hause war.
    Ein eisiger Wind schlug ihnen ins Gesicht, als sie schweigend auf das Haus zugingen. Fröstelnd standen sie vor der Tür und klingelten. Keine zwei Sekunden später wurde die Tür per Summer geöffnet und eine Etagentür schwungvoll aufgerissen. Der erwartungsvolle Ausdruck in den Augen der jungen Frau wich Entsetzen, als sie die Männer erblickte. In dem Moment wünschte sich Martin nichts sehnlicher, als irgendwo anders zu sein, wo er niemandem seelisches Leid zufügen musste.
    Der Kommissar trat an die Frau heran,

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