Innere Werte
ausgeprägt.
»Sehen Sie«, sagte der Kollege von der Spurensicherung zu Martin und deutete auf den Abdruck einer langen Fahrspur, »da hat jemand dem Untergrund einen hübschen, unverzerrten Profileindruck aufgezwungen. Wie ein Stempel. Alle Einzelheiten der Profilierung sind zu erkennen. Und da schließt sich ein durch Bremsen ausgelöster Längsschlupf an. Das heißt, der Wagen hat genau hier gehalten. Prima zu sehen.« Der Beamte freute sich sichtlich über so eine deutliche Spur. »Ich bin ziemlich sicher, dass uns das Hinweise auf die Reifenart und vielleicht auch auf das Fabrikat bringt.« Er blickte sich um. »Die anderen Reifenspuren sind auf den ersten Blick Fahrspuren. Hier sind noch einige, die recht deutlich sind. Die werden wir alle sichern.«
»Was ist mit der Fahrtrichtung?«, wollte Martin wissen. »Kann man die erkennen?«
Der Spusi-Kollege wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. »Wenn wir Glück haben und entsprechende Anhaltspunkte finden. Vielleicht ist es hier bei dieser deutlichen Reifenspur mit dem Längsschlupf möglich. Eine Bremsspur hat oft einen unterschiedlichen Spurbeginn. Der Grund dafür liegt in der minimalen zeitlichen Verzögerung beim Ansprechen der Bremssysteme. Auch die Reihenfolge der unterschiedlichen Spurenarten kann Aufschlüsse über die Fahrtrichtung geben. Nach der Vermessung können wir sicher mehr sagen.«
»Alles klar!«
Während Martin dem Kollegen zusah, der begann, die Abdrücke zu markieren, um sie anschließend zu skizzieren, zu fotografieren und zu vermessen, fragte er sich, ob es wohl der Wagen des Mörders gewesen war, der hier gestanden hatte. Oder der eines Kleingärtners, der etwas ausgeladen hatte? Aber das nächste Tor zu einem der Grundstücke war fünfzehn Meter von dieser Stelle entfernt. Also war das eher unwahrscheinlich. Natürlich konnte hier jeder einfach anhalten. Vielleicht, weil gerade das Handy klingelte, oder ein verliebtes Pärchen hatte im Auto zusammengesessen, denn hier war man relativ unbeobachtet. Und das genau war der Punkt. Unbeobachtet! Der Mörder hatte eine gute Wahl getroffen.
Martin wollte sich mit Michael die nähere Umgebung ansehen. Die beiden liefen den Feldweg entlang. Er machte nach etwa hundert Metern eine Biegung nach links. Zur Rechten erkannten sie eine Böschung, an deren Fuß eine alte Bahntrasse entlangführte, die langsam aber sicher von Pflanzen überwuchert wurde. Zur Linken weitere Kleingärten. Sie liefen die Böschung auf einem Trampelpfad hinunter, überquerten die alten Schienen und fanden sich auf einer Straße mit dem Namen An der Kupferlache wieder. Diese Straße führte durch ein Wohngebiet direkt auf den Theodor-Heuss-Ring.
»Da unten im Tal muss die Kläranlage liegen«, sagte Martin und deutete in südwestliche Richtung.
»Dann sind das vom Kanalschacht bis da unten nur drei- oder vierhundert Meter Luftlinie.«
»So ungefähr. Jedenfalls hat der Täter einen genialen Platz gefunden, die Leiche mitten in der Stadt unbemerkt zu entsorgen. Der Feldweg ist geradezu ideal.«
»Spricht für einen Ortskundigen.«
»Würde ich zunächst annehmen. Allerdings wäre es auch möglich, dass der Täter einfach rumgefahren ist, bis er die Stelle gefunden hat.«
»Kann natürlich auch sein, aber das klingt für mich eher nach Zufall.«
»Richtig! Und das passt nicht zu einem Täter, der sich Gedanken macht, wie er sein Opfer in die Kläranlage bekommt, um sie zerlegen zu lassen.«
»Wenn das tatsächlich seine Absicht gewesen ist«, gab Michael zu bedenken.
»Das glaube ich jetzt mehr denn je«, sagte Martin mit Überzeugung. Die beiden nahmen den gleichen Weg zurück zur Rudolf-Vogt-Straße, während Martin weitersprach. »Bedenk doch mal diese Nähe zur Kläranlage. Das kann kein Zufall sein. Und da stellt sich mir schon gleich die nächste Frage. Die Bewohner dieser Gegend sowie die Kleingärtner wissen über die Lage von Kanal und Kläranlage Bescheid.«
»Und jetzt glaubst du, dass einer von ihnen der Mörder ist?«
»Sein könnte.«
»Noch könnte es jeder sein.«
»Ich weiß, aber jeden können wir uns nicht vorknöpfen. Und irgendwo müssen wir anfangen.«
»Also«, folgerte Michael, »nehmen wir jeden einzelnen von ihnen unter die Lupe.«
»Genau!«
Wieder am Kanalschacht angekommen, sahen sie, wie die Kollegen von der Spusi Gipsabgüsse der Reifeneindruckspuren anfertigten. Solche Spuren waren schon so manchem Täter zum Verhängnis geworden. Vielleicht brachte sie das auch in diesem
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