Innere Werte
hatte sichtlich schlechte Laune und knallte die Beifahrertür zu.
Martin musterte ihn erstaunt. »Das muss dich aber nicht weiter belasten«, riet er. »Wenn sie’s anders wollten, könnten sie es ja ändern. Außerdem soll das nicht unser Problem sein. Wir haben ganz andere Dinge, um die wir uns kümmern müssen.«
Im Wagen gab Martin die Daten des Vermieters an Michael durch, damit er sich bei ihm nach Bielmann erkundigen konnte. Zurück im Präsidium konnte Michael berichten: »Peter Bielmann hat fast drei Jahre in der Wohnung von Herrn Braunburg gewohnt. Der hat in dem Haus vier Wohnungen, kümmert sich aber wenig darum. Vor zwei Monaten ist Bielmann ausgezogen. Warum und wohin weiß er nicht. Der Mietvertrag lief auf ihn allein. Ob sonst noch jemand zusammen mit Bielmann dort gewohnt hat, ist ihm nicht bekannt.«
»Hat er die Miete regelmäßig bezahlt?«
»Eigentlich schon, manchmal allerdings mit Verspätung. Die Miete betrug zweihundertachtzig Euro warm.«
»Also«, folgerte Paul, »weiß dieser Braunburg gar nichts und wir somit auch nicht. Scheiße!«
»Was bist du so schlecht drauf?«, fragte Martin und musterte den jungen Kollegen, der mit verschränkten Armen und gefurchter Stirn vor dem Fenster stand.
»Ach!«, gab er nur zur Antwort, drehte sich um und blickte nach draußen.
»Apropos nichts wissen«, fuhr Michael fort. »Telefonnachweise gibt es keine. Eine Festnetznummer existiert nicht und ein Handy ist auch nicht zu finden. Entweder hat er keins oder ein Prepaid-Handy.«
»Was ist mit dieser Ex-Frau?«, überlegte Martin laut. »Können wir die nicht auftreiben? Vielleicht weiß sie was über ihren Ex.«
Michael hatte bereits eine Telefonnummer von ihr herausgesucht. Martin erreichte die Frau beim ersten Versuch. Sie hatte eine angenehme, freundliche Stimme. Doch in dem Augenblick als er den Namen Peter Bielmann erwähnte, herrschte ihn ein kalter Ton an und unverhohlener Hass schlug ihm entgegen. Sie machte unmissverständlich klar, seit der Scheidung nichts mehr mit ihm zu tun gehabt zu haben und somit auch nicht zu wissen – und es auch nicht wissen zu wollen, wo er wohnte oder sich aufhielt. Martin bat sie, Peter Bielmann zu beschreiben. Es fielen Adjektive wie faul, selbstverliebt, verantwortungslos und kindisch. Sie schilderte kurz, dass er mehr mit dem Drachen als mit ihr verheiratet und dass das der Grund für die Trennung gewesen war. Sie habe seit zwei Jahren ein neues, glückliches Leben, sei wieder verheiratet und habe ein Kind. Zum Schluss betitelte sie ihren Ex-Gatten noch als Schwachmat.
Das Gespräch endete abrupt und unfreundlich, wahrscheinlich genau wie die Ehe der Bielmanns.
»Was machen wir jetzt?« Dieter klickte einen Kugelschreiber an und aus. »Sollen wir ihn in die Zeitung geben?«
»Es bleibt uns wohl gar nichts anderes übrig«, sagte Martin. »Aber mit keinem Wort darf erwähnt werden, dass er tot ist. Wir geben ihn als vermisst an, damit der Täter weiterhin glauben kann, die Leiche ist entsorgt und verschwunden.«
»Aber Milster hat doch sicher schon eine Pressemeldung rausgegeben, wo von einem Toten in der Kläranlage die Rede ist, oder nicht?«
»Das werden wir sehen. Paul!«, rief er zum Fenster hinüber. »Jetzt stell mal dein pupertäres Verhalten ab und besorg mir den Pressetext von Milster oder der Pressestelle. Und zwar hurtig!«
Ohne ein Wort verließ Paul das Büro.
»Was ist denn mit unserem Jungspund los?« Michael blickte ihm fragend hinterher.
»Keine Ahnung, aber irgendwie ist er in letzter Zeit öfter ziemlich gereizt. Außerdem scheint er mir manchmal nicht ganz bei der Sache zu sein.«
Sonst war er immer so ehrgeizig und voller Tatendrang gewesen, überlegte Martin und fragte sich, warum Paul sich nun so anders verhielt. Vielleicht war er auf Dauer doch für die Mordkommission ungeeignet? Nicht jeder kam mit der ständigen Konfrontation von Leid, Brutalität und der Hilflosigkeit, die man angesichts dessen immer wieder empfand, zurecht. Paul war seit zweieinhalb Jahren in Martins Team beim K11. Gut möglich, dass der junge Kollege dieser Belastung nicht gewachsen war. Martin nahm sich vor, bei der nächstbesten Gelegenheit mit Paul zu reden.
»Vielleicht sind ihm die Leichenteile nicht bekommen«, meinte Dieter. »Das kann einen schon ’ne Weile beschäftigen.«
»Dafür hätte ich auch jedes Verständnis, aber dieses Verhalten hat er schon vorher manchmal an den Tag gelegt. Ist euch das nicht aufgefallen?«
»Jetzt, wo du
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