Innere Werte
stellte sich kurz vor und zeigte seinen Ausweis.
»Frau Katrin Buhr?«
Sie nickte nur und starrte ihn ungläubig an, schlug beide Hände vor den Mund und ließ ein leises »Nein« hören. Martin schob sie an den Schultern zurück in die Wohnung. Michael schloss die Tür hinter ihnen.
»Sie haben ihn gefunden?«, fragte sie mit gepresster Stimme.
»Ja. Es tut mir leid. Peter Bielmann ist tot.«
»Nein! Nein!«, rief sie und ihre Stimme wurde immer lauter bis sie schrie. »Nein!« Sie drehte sich zur Wand und hämmerte mit den Fäusten dagegen. Martin wollte sie an den Schultern greifen, um sie zu beruhigen, aber sie wehrte ihn ab, wandte sich ihm zu und sah ihn feindselig an.
»Sie kommen hierher, zerstören mein Leben und haben es nicht für nötig befunden, Peter zu suchen, als ich Ihnen gesagt habe, dass er verschwunden ist.« Tränen strömten ihr über die Wangen. »Ich hab doch gewusst, dass das nicht normal ist.« Sie begann zu schluchzen, ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. Ihr ganzer Körper schüttelte sich, während sie ihr Gesicht in einem Kissen vergrub. Vorsichtig setzte sich Martin zu ihr, strich ihr über den Rücken und wartete, bis sie sich etwas beruhigte. Nach einer Weile richtete sich Katrin auf und sah Martin an. Ihre Tränen liefen ohne Unterlass und dieser verzweifelte Blick aus ihren rot verweinten Augen war herzzerreißend.
»Es tut mir so leid«, brachte Martin leise hervor.
Erneut begann sie laut zu schluchzen und es dauerte lange, ehe sie aufhörte zu weinen. Martin wartete geduldig. Die Kollegen von der Spusi gaben Zeichen, dass sie draußen warten würden.
»Peter«, sagte sie plötzlich und mit einer Zärtlichkeit in der Stimme, die jeden der Männer ahnen ließ, was diese Frau für Peter Bielmann empfand.
Martin ließ noch einige Minuten schweigend verstreichen, ehe er Katrin ansprach.
»Frau Buhr, haben Sie jemand, der sich um Sie kümmern kann?«
»Peter war der Einzige, den ich hatte«, antwortete sie gedankenverloren.
»Wir haben Leute, die Ihnen helfen können. Sollen wir jemanden anrufen?«
»Was ist mit ihm passiert?«, wollte sie wissen, ohne auf seine Frage einzugehen.
Martin erzählte ihr so wenig wie möglich und so viel wie nötig, um sie nicht im Ungewissen zu lassen. Die Antwort auf Katrins Frage: »Kann ich ihn sehen?« fiel Martin besonders schwer und löste erneut einen Weinkrampf aus. Die Minuten schienen sich zu einer Ewigkeit zu ziehen.
Irgendwann stand sie auf und ging ins Bad. Als sie wiederkam, hatte sie ihre Tränen getrocknet. Sie schien etwas ruhiger und setzte sich. Martin musterte die Frau, die ihren Blick starr auf den Boden gerichtet hatte und verloren wirkte. Ihr ovales Gesicht mit der kleinen Stupsnase, dem schmalen Mund und naturbelassenen Augenbrauen über den großen, bernsteinfarbenen Augen, wurde von schulterlangen, braunen Haaren eingerahmt. Sie strich sich die Haare hinter die Ohren, die klein und leicht abstehend zum Vorschein kamen. Eine recht hübsche Person, dachte Martin und fing ihren hilflosen Blick auf.
»Was werden Sie jetzt unternehmen?«, fragte sie leise.
»Wir müssen die Sachen ihres Freundes durchsehen und Sie bitten, uns alles über ihn zu erzählen, was irgendwie wichtig sein könnte«, entgegnete Martin.
Während Katrin einige Fragen beantwortete, fing sie immer wieder an zu weinen, so dass Martin die Befragung schließlich abbrach und jemand vom KIT bestellte, der sich um Katrin kümmerte.
Er und Michael befragten inzwischen die Bewohner der drei anderen Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus. Leider kannten sie Katrin Buhr und Peter Bielmann nur vom Sehen. Sie wussten zwar, dass die beiden hier vor Kurzem eingezogen waren, hatten aber noch keinen näheren Kontakt zu ihnen gehabt. Außer einer Begrüßung im Hausflur hatte noch kein Gespräch stattgefunden.
Keine zwei Stunden später hatte die Spurensicherung einige der persönlichen Sachen von Peter Bielmann zur Untersuchung mitgenommen. Seinen Kalender behielt Katrin allerdings in ihrer Handtasche. Martin war mit Michael inzwischen auf dem Weg zurück ins Präsidium. Dort angekommen, berichtete er den Kollegen, was sie bisher wussten. Peter Bielmann hatte erst seit zwei Monaten mit Katrin Buhr zusammengewohnt. Die beiden hatten sich nach Bielmanns Scheidung vor einem Jahr kennengelernt. Den Job als Fliesenleger hatte er nach einem Unfall beim Drachenfliegen verloren. Sein künstliches Hüftgelenk war ihm als ewiges Erinnerungsstück
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