Ins dunkle Herz Afrikas
drüber nach, du hast ja genug Zeit hier.« »Also, ich finde, dass er ziemlich gut aussieht«, meldete sich Susi aus dem sicheren Rund von Rons Armbeuge,
»dieser Körper ...« »Ach, halt den Mund, Susi«, zischten Henrietta und Isabella gleichzeitig. »Findest du schwarze Haut abstoßend?«, fragte sie ihre Nichte dann, »ist es die Farbe? Oder wie sie sich anfühlt? Sie ist wie Seide, hast du das schon gemerkt?«
»Sei ruhig, ich will nicht darüber reden!«, fauchte Isabella und ließ ihre Haare vors Gesicht fallen. Sie spielte mit ihren Haarspitzen, und für einen Moment legte sie ihre Kratzbürstigkeit ab, das verletzliche Kind kam aus seiner Deckung. »Ich weiß, dass ich fett bin und strähnige Haare habe, meine Mutter schämt sich für mich, sie ist so zart und schlank und schön, sie kann nicht verstehen, von wem ich meinen unförmigen, hässlichen Körper geerbt habe.« Ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund.
Carla, dieses gefühllose Biest! Henrietta rutschte zu ihr hinüber, zog ihren Kopf an ihre Schulter. »Hör nicht auf andere, Kleines.« Isabella befreite sich. »Komm mir jetzt nicht mit dem Gesülze, dass es auf die inneren Werte ankommt und dass ich eine schöne Seele habe - hab ich nicht, ich bin gemein und missgünstig, und nachtragend bin ich auch.«
Henrietta runzelte die Stirn. »Wieder ein Urteil deiner Mutter? Und was sagt dein Vater?« »Ach, der ...«
Sie strich Isabella die verschwitzte Haare zurück. »Du hast wunderschöne Augen und eine schöne Haut, Isabella - beneidenswert.«
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»Ich hasse mich!«
»Dazu hast du kein Recht! Die Isabella, die ich kennen gelernt habe, die tapfer und mutig ist, die mir mit ihrer Haltung genau in dem Augenblick geholfen hat, als ich aufgeben wollte, die wirst du gefälligst mögen!«
Isabella antwortete nicht, aber ihr Arm schob sich sachte um ihre Taille, und sie spürte, wie sich das junge Mädchen an sie schmiegte. Wortlos legte sie ihre Arme um den bebenden Körper und wischte die Tränen ab, die ihrer Nichte lautlos über die Wangen liefen. »Es muss doch jemanden in deiner Kindheit gegeben haben, der dich geliebt hat - den du geliebt hast!«
Es dauerte lange, ehe Isabella antwortete. Sie konnte ihre Worte kaum verstehen, so leise waren sie. »Nanna hat mich geliebt, meine Nanny, sie fand mich schön.« Ein trockenes Aufschluchzen. »Meine Mutter hat sie rausgeworfen, weil sie ein Kind bekam. Sie musste zurück in ihren Kral nach Zululand. Ich hab sie nie wieder gesehen.«
Henrietta nickte. Die schwarze Nanny, immer da, die Arme und das Herz immer offen für ihre weißen Schützlinge. Zu ihr rannten sie mit jedem Kummer, sie war die Hüterin ihrer kleinen Geheimnisse, bei ihr fanden sie Schutz und Liebe. Und eines Tages dann würde das Kind zum ersten Mal den Ton ihrer Eltern der Nanny gegenüber nachahmen, gedankenlos, wie das Kinder so tun, und ihr einen Befehl geben. Und Nanny würde gehorchen. Diese erwachsene Frau würde dem Befehl eines Kindes gehorchen, weil es weiß war. Damit hatte das Kind seine Unschuld seiner Nanny gegenüber verloren. Immer wieder würde es seine Macht ausprobieren, stärker, selbstverständlicher den Elternton benutzen, bis er zu dem seinen geworden war. Dieser junge Mensch, der einmal das Kind war, das seine schwarze Nanny geliebt hat, würde sie fortan behandeln, wie eine schwarze Frau von vielen weißen Südafrikanern behandelt wurde. Ungeduldig, abfällig, wie eine Art Nutztier.
Nicht wie ihren Hund, nein, der wurde gehätschelt und gelobt und sogar geküsst. Hunde standen in Südafrika hoch im Kurs. Man hatte 303
Hunde. Meist große und bissige. Die durften im Wohnzimmer auf dem besten Sofa liegen oder sogar im Ehebett, sie bekamen viel Fleisch und Vitamine und wurden regelmäßig vom Arzt untersucht. Sie versuchte, für sich zu beschreiben, wie eine schwarze Frau in Südafrika behandelt wurde. Sie stand auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter, denn in ihrer eigenen Kultur rangierte sie hinter jedem Mann, musste sich ihm in traditionellen Familien auch heute noch auf Knien nähern, und doch war sie im Verband mit den anderen Frauen stark. In vielen weißen Haushalten hatte sie ihr eigenes Geschirr und Besteck. Ihrem weißen Master und der Madam, wie ihre Arbeitgeber sich auch selbst bezeichneten, wäre es nicht eingefallen, aus der Tasse zu trinken, die den Mund einer Schwarzen berührt hatte.
Ja, eine Art ungeliebtes Nutztier, dachte sie. Eine Frau, die neben dem Haushalt und den
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