Ins dunkle Herz Afrikas
Unschuldigen.«
»Dann lass uns hier heraus ...« Isabella streckte ihm instinktiv ihre Hand entgegen, zog sie jedoch jäh zurück, sichtlich erschrocken über sich selbst.
»Die Wege sind zerstört, ihr würdet keine fünfzig Meter weit kommen, und noch seid ihr hier sicher.« Ein schnelles, zähneblitzendes Lächeln in Isabellas Richtung, und er war weg. Hungrig aßen sie den Brei, selbst Susi. Der Tag verging, Henrietta vertrieb sich die Zeit, indem sie - vergeblich - versuchte, einen der Geckos anzulocken, die mit neugierigen, schwarzen Knopfaugen hinter den Dachverstrebungen hervorlugten. Es wurde Spätnachmittag. Moses hatte wieder seinen Posten vor dem Eingang bezogen. Lange schon hatten sie keinen trockenen Faden mehr auf der Haut. »Ich schmeiß jetzt dieses Ekel erregende Zeugs raus, ich kann es
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nicht mehr ertragen«, schimpfte Susi plötzlich und trat gegen die verwesenden Kuhhäute und wurde böse umsummt von dem aufgescheuchten Fliegenschwarm. Sie riss die Kuhhaut hoch, beförderte den Haufen mit Schwung in den Regen und Moses vor die Füße. »Sie stinken, schaff sie weg!«, schrie sie ihn an, ließ die Kuhhaut wieder vor den Eingang fallen und lächelte stolz in die Runde.
»Dem hab ich's aber gegeben, was?« Ihre Lippen jedoch bebten, ihre Hände flogen.
»Das war sehr mutig«, nickte Henrietta, sicher, dass es das erste Mal war, dass Susi sich gegen männliche Macht aufgelehnt hatte. »lan und Neu suchen uns längst«, setzte sie hinzu, »wir werden nicht mehr lange durchhalten müssen.«
Hoffendich, dachte sie, oh, hof-fendich!
»Klar, Titas Vater, Mr. Kappenhofer, hat ein Flugzeug, Neil fliegt es gelegendich«, bestätigte Isabella ihre Annahme, »sie sind sicher schon in der Luft.«
Ron aber schüttelte den Kopf. »In diesem Gewitter können die uns hier nie finden. Ich glaube nicht einmal, dass sie starten können.« Wie zur Bestätigung erschütterte ein Donnerschlag die Luft, und der Regen verstärkte sich. Er floss platschend von der Kante des Grasdachs, bildete eine Pfütze unter der Kuhhaut. Die Zweige der Akazie schlugen im Sturm gegen die Hütte. Es hörte sich an, als begehre jemand Einlass.
»Sie werden uns auch viel weiter östlich suchen, auf der anderen Seite des Flusses.« Henrietta konnte nicht verhindern, dass sie entmutigt klang.
»Nein - nein«, erwiderte Ron leise, »meine Krankenschwester - sie wird Hilfe geholt haben, sie weiß, wo wir sind ...« Susi senkte den Kopf. »Die ist bestimmt nicht durchgekommen«, sagte sie mit einem deprimierten Unterton,
»kein Mensch findet sich in einem solchen Unwetter mitten im Busch zurecht.
Vermutlich ist sie in den Krokodilfluss gefallen und gefressen worden.« Ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie sich das in glühenden Farben ausmalte.
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Ron lächelte. »Judy? Nicht Judy, sie ist eine Zulu in ihren Fünfzigern, die kennt jeden Stein, jeden Busch in dieser Gegend, die verläuft sich nicht, und Krokodile würden sie ausspucken. Sie ist zäh und ledrig wie ein altes Perlhuhn. Ich hoffe, sie ist so clever und läuft zu Jill Court. Kennt jemand von euch Jill Court?« »Jill Court?« Henrietta dachte angestrengt nach, schüttelte dann den Kopf. »Nein, die kenne ich nicht.«
»Sie ist eine von den Courts von Ndwedwe, betreibt südlich des Flusses eine Gästefarm in einem privaten Wildreservat.« Henrietta nickte. »Jetzt klingelt es! Die Zuckerbarone. Ja, von denen hab ich gehört, und ich glaube, ein Schulkamerad von Jan aus der Palmgrove Boy's High School hieß Court.«
»Das muss ihr Bruder gewesen sein. Er ist tot. Eine Briefbombe, erst vor ein paar Monaten. Angeblich war er aktives Mitglied vom militanten Flügel des ANC.
Als man ihn fand, hatte er kein Gesicht mehr, und in seinem Brustkorb war ein großes Loch. Der Paketaufkleber mit seiner Adresse klebte in der Brusthöhle.«
»O mein Gott -.« Sie verstummte. Eine Gefühlswelle schlug über ihr zusammen, für irrwitzige Sekunden wähnte sie sich in einem ihrer Angstträume.
Eine große Mücke ließ sich auf ihrer Hand nieder, stach zu und holte sie in das Jetzt zurück. Sie schlug zu, wischte den Brei angeekelt an ihrer Hose ab.
Ron beobachtete sie. »Habt ihr Tabletten zur Malariaprophylaxe genommen? Um diese Jahreszeit haben wir hier täglich zwanzig bis dreißig neue Fälle, und zwar von der Tropica. Wenn die nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden behandelt wird, hast du keine Chance.«
»Malaria?«, fragte Henrietta alarmiert, »wir haben früher in
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