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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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einen sitzen haben«, neckte sie ihn und schaffte es, dass die Tränen, die ihr in der Kehle saßen, in ihrer Stimme nicht zu hören waren. »Dann kipp ich noch einen drauf, dann steht er wieder«, erwiderte 394
    und sie lachte laut los, auch ungewöhnlich. Seine Kalauer quittierte sie meist mit mildem Spott.
    So verließen sie ihr Paradies, flogen nach London und von da aus ach Hamburg.
    Es war kalt und düster, als sie ausstiegen, aber lan schien es offenbar hell und freundlich. »Es wird bald Frühling werden«, meinte er.
    Henrietta verstand ihn sehr gut, wusste genau, was diese Bemerkung wirklich hieß. »Bestimmt«, flüsterte sie und zog ihren Mantel fester um sich. Ihr war schrecklich kalt.
    395
    Januar 1990-Hamburg
    Drei Tage später lag sie mit vierzig Fieber, Schüttelfrost und völlig unklaren Symptomen im Bett, und ihr Hausarzt ordnete besorgt einen Malariatest an.
    Mehrere Tage, die für sie ineinander verschwammen wie Farben in einem Wassertropfen, dämmerte sie vor sich hin, lebte in einer Welt in ihrem Kopf.
    Einmal wurde sie wach, wusste, wo sie sich befand, und erinnerte sich. Sie hieß das Fieber willkommen, ließ sich hineinfallen in die Krankheit, war dankbar, sich nicht gleich mit den zwei vergangenen Wochen, ihren letzten Wochen in Südafrika, auseinandersetzen zu müssen.
    Sie schlief und träumte, und als das Fieber zurückging, ihre Gedanken klarer wurden, fühlte sie sich stark genug, über diese Zeit mit lan zu reden.
    Sie öffnete ihre Augen. Ihr Schlafzimmer lag im ersten Stock, und die Wintersonne strömte ungehindert durch die bis zum Boden reichenden Fenster, malte ein goldenes Muster auf den ockerfarbenen Teppich, draußen verhüllte eine glitzernde Schneedecke die Welt. lan, die Ärmel seines schwarzen Pullovers hochgeschoben, frühstückte neben ihrem Bett. »Erzähl mir, wie der Frühling wird«, flüsterte sie, noch heiser vom Fieber.
    Er fuhr herum, stellte das Tablett so hart auf dem Boden ab, dass der Kaffee überschwappte, und zog sie in seine Arme. »Willkommen zurück, mein Liebes!«
    »Welches Datum ist heute?« »Der einundzwanzigste. Es ist Sonntag.«
    Sie setzte sich auf, wunderte sich, welche Anstrengung sie das kostete.
    »Willst du sagen, dass ich zwei Wochen krank war?« Sie erin-396
    nerte sich an kaum etwas von dieser Zeit, nur an durcheinander wirbelnde Bilder und Dunkelheit, die, in der man sich geborgen fühlt. ]Vtanchmal war sie aufgewacht und hatte an dem Geschmack auf ihrer Zunge gepürt, dass sie etwas gegessen haben musste, wusste aber nicht mehr, was und wann.
    Vor allem aber erinnerte sie sich an das Gefühl von Ruhe, Dahintrei-ben, Zeit, nichts entscheiden zu müssen. »Was habe ich eigentlich gehabt?«
    »Keiner weiß es. Du warst ziemlich krank.« Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Wir haben alle Tests auf alle in Frage kommenden Krankheiten, auch auf Bilharziose, Malaria und sogar auf AIDS und Ebola-Fieber gemacht. Nichts.«
    Sie versank in sich selbst, versuchte einen Fetzen ihrer Erinnerung an die Zeit zu erhäschen, die hinter ihr lag. Geborgen, zwischen Zeit und Raum schwebend, warm, so hatte sie sich gefühlt, eigentlich nicht krank. »Ich brauchte Ruhe, und die habe ich mir verschafft.« Ja, das war es, das hatte sie gebraucht. Zeit zu heilen. Ihre Stimme wurde kräftig und fröhlich. »Und jetzt, mein Liebling, habe ich Hunger wie ein Wolf!« Sie nahm ihren Spiegel vom Nachttisch und blickte hinein. »Ich sehe ja grauenvoll aus.« Sie bestand darauf, sich die Haare zu waschen und anschließend ein wenig Make-up aufzulegen. »Es genügt, wenn ich mich scheußlich fühle, ich muss nicht auch noch so aussehen!«
    Nach einer Woche, als die grünen Spitzen der ersten Schneeglöckchen sich durch die Schneedecke bohrten, wagte sie sich zum ersten Mal ins Freie. Sie warf sich ihren Mantel über und lief in den Garten. Es war ein eisblauer Tag, klirrend kalt, ohne jeden Wind und mit einer blassen Sonne. Die Bäume ächzten leise unter ihrer Schneelast, schafften es gelegentlich, sich ihrer zu entledigen, Zweige federten, und glitzernder, weißer Puder stäubte in den kristallklaren Himmel. Sie bückte sich, legte ihre Hände um die grünen Spitzen, der Schnee schmolz, es bildete sich ein kleiner Trichter um die zarten Pflanzen, der die Sonnenstrahlen einfing. Sie richtete sich auf, blinzelte in den Himmel, direkt in die Wintersonne hinein und spürte, dass das Le-397
    ben weiterging. Eine innere Flucht in ihr Afrika, so entschied sie würde es

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