Ins dunkle Herz Afrikas
sprang Henrietta in die Arme.
Sie war warm und feucht und roch nach Aprikosen, ihre Augen hatten das Türkis ihrer Mutter, und ihr Haar war dicht und fein und hatte die Farbe von flüssigem Honig. Henrietta presste sie an sich und konnte ihr Glück nicht fassen.
»Susi lässt dich umarmen, sie konnte nicht kommen«, berichtete Julia, »ihr erstes Baby kommt in den nächsten Tagen, und Ron hat ihr jede Anstrengung verboten. Du solltest sie sehen! Sie schwebt mit einem glückseligen Lächeln auf dem Gesicht wie ein kleiner Heißluftballon durch die Gegend.« ; 500
lan grinste. »Hier scheint ein äußerst fruchtbares Klima zu herrschen!«
Danach regierte Chaos. Alle redeten auf einmal, jeder küsste jeden, Tita fiel ihrer Freundin weinend um den Hals, Neil drückte sie so fest, dass ihr die Luft wegblieb. »Ist das Leben nicht schön!«, murmelte er an ihrer Wange. Es war eine Feststellung, keine Frage, und sie bedeutete, dass auch für ihn die Zeit der Angst vorbei war. »Ich habe dich gehört, und ich bin gekommen«, sagte Sarah und beäugte sie kritisch, »du bist weiß wie ein Fischbauch, udadewethu, gibt es keine Sonne bei euch?« Eben war sie eine ältere, würdige schwarze Dame, plötzlich warf sie ihren Kopf zurück. »Aiiü«, trillerte sie, streckte ihren Hintern heraus, stampfte ein paar Tanzschritte und lachte, lachte aus voller Kehle, mit dem ganzen Körper, dieses herrliche afrikanische Lachen, das über alle Unbill des Schicksals siegt. »Willkommen zu Hause«, sang sie,
»willkommen in unserem Land.«
Ein erneuter Tränenstrom schwemmte die Reste von Henriettas Make-up weg.
Vilikazi, ein sehr ungewohnter Anblick in grauem Anzug - trotz der Hitze hatte er den Schlips nicht gelockert -, begrüßte lan mit dem Dreiergriff. Sein breites Lachen sagte, was er mit Worten offenbar nicht ausdrücken konnte.
Seine Narbe grinste rechts und links unter dem weißen Hemdkragen hervor, im gleichen Schwung nach oben wie sein Mund. lan legte ihm die Hand auf die Schulter, drückte sie, fand aber offensichtlich auch keine Worte.
Dann stritten sich lan und Henrietta fröhlich um Olivia, ein Streit, den lan gewann. Er trug seine Enkelin triumphierend auf den Schultern nach draußen in die Sonne. Die anderen folgten. Neil war im Geländewagen gekommen, in dem alle Platz nahmen, außer Sarah und Vilikazi, die stolz die Tür zu ihrem eigenen Wagen öffneten. Vilikazi machte eine Handbewegung, die Henrietta entgangen wäre, wären daraufhin nicht zwei junge, schwarze Männer neben ihm aufgetaucht, große, kräftige Kerle. Einer setzte sich hinter das Steuer. Sarah fing ihren erstaunten Blick auf. Sie kicherte. »Du weißt doch, 501
udadewethu, mein Mann ist jetzt ein wichtiger Mensch. So wichtig, dass er zwei Kindermädchen braucht - hoho!« Sie lachte wieder, ihr üppiger Körper bebte, ihre Augen tanzten.
Jetzt erst bemerkte Henrietta die gute Qualität von Vilikazis Anzug, die teure Uhr, die unter der weißen Manschette hervorschaute, die polierten Schuhe und den Nierengrill seines weißen Wagens mit der blauweißen Plakette auf dem Kühler.
»Er hat es weit gebracht«, bemerkte lan, »beeindruckend. Er scheint geschäftlich sehr erfolgreich zu sein.«
»Und wie hart und dornig ist der Weg gewesen! - Oh, ich gönne ihnen das so sehr.« Henrietta rutschte auf den Platz neben lan im Geländewagen. Olivia krabbelte auf den Schoß ihres Großvaters. Fürsorglich setzte er sie in den Kindersitz und schnallte sie fest. »Es heißt, dass er bald in die Regierung berufen wird.« Neu folgte dem BMW Vilikazis auf die Hauptstraße nach Durban.
»Er ist ein wichtiger Mann, und als Zulu im ANC lebt er nicht ungefährlich, denn viele seiner Stammesgenossen sehen Zulus, die ANC-Mit-glieder sind, als Verräter an. Die zwei sind seine Bodyguards, und sein Haus wird Tag und Nacht bewacht.«
Henrietta schwieg erschrocken. Gefährlich? Immer noch? »Was heißt das?«, verlangte sie heftig zu wissen. »Ich denke, seit Nelson Mandela Präsident ist, ist hier alles Friede, Freude, Eierkuchen.« »Anhänger der in KwaZulu-Natal regierenden Inkatha und die des ANC ermorden sich gegenseitig. Es sind schon Tausende in Zululand umgekommen.«
»Du sagst also«, fragte lan ungläubig »dass Vilikazi und Sarah Jahrzehnte lang ihr Leben riskiert haben, um sich von der Terrorherrschaft der Apartheidregierung zu befreien, um endlich unbehelligt und ohne Angst ihr Leben in ihrem Land in Frieden zu leben, nur um jetzt vor lauter Angst vor
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