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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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wie weggewischt. »Meiner? Wozu denn das?«
    »Name!« Der Polizist beherrschte die Modulation seiner Stimme perfekt. Diesmal kam das Wort leise, wie ein Zischen. Es wirkte. »Pieterse«, presste der Mann hervor. Sein Hals färbte sich langsam hummerrot. Die schwarzen Polizisten steckten ihre Schlagstöcke weg und zogen sich zurück. Der ganze Vorfall hatte nur ein paar Minuten gedauert.
    Der Einwanderungsbeamte hatte inzwischen einen der Ankommenden abgefertigt und wartete auf das Ergebnis der Computerabfrage für den nächsten. Er ließ seinen Blick über die Passagiere schweifen, ohne jemanden zu fixieren, doch Henrietta, die ihn beobachtete, war sich sicher, dass ihm nichts entging. Sie erkannte diesen Blick, musste ein Erschauern unterdrücken. Betont gelangweilt sah sie sich um. Das Neonlicht bleichte alle Farbe aus den Gesichtern, lans erschien bläulich weiß. Oder war es Angst? Sie prüfte zum hundertsten Mal, ob die Kopie des Briefes in der oberen Tasche ihres Leinenblazers steckte. Er knisterte Vertrauen erweckend.
    Die Reisenden mussten einzeln vortreten und ihre Pässe vorlegen, die Nachfolgenden wurden von einer schwarzen Beamtin angehalten, hinter einer Linie zu warten. Ehepaare durften jedoch gemeinsam gehen. Sie dachte zurück an die anderen Male, die sie in einer solchen Schlange auf diesem Flughafen gewartet hatte, und ihre Gefühle von
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    damals schlugen als heiße Welle über ihr zusammen. La Paloma, Papas Lied, schwirrte durch ihren Kopf. Unbewusst summte sie mit. Irgendwie hatte sie jemand vorgeschoben, irgendwie hatte sie diese weiße Linie überschritten, und jetzt stand sie vor der Glaskabine, und eine schwarze Hand wartete darauf, dass sie ihren Pass hineinlegte. Als sie nicht reagierte, nahm lan ihr ihren Pass aus der Hand und legte ihn zusammen mit seinem auf den Tresen, und die Welt hörte auf sich zu drehen.
    Die wenigen Sekunden, die es dauerte, bis ihre Pässe eingelesen worden waren, währten länger als die letzten sechzehn Jahre. Das trockene, harte Geräusch, mit dem der Mann ihre Dokumente stempelte und zuklappte, schien wie das Zuschlagen einer Tür. Ihr Puls jagte hoch. Würde der Weg durch die Passagierschleuse hier ein Weg in die Hölle oder das Paradies werden? Jetzt!
    »Genießen Sie Ihre Ferien in unserem Land«, lächelte der Mann mit fröhlichen braunen Augen.
    Ganze zehn Schritte lang hatte sie ihre Gefühle unter Kontrolle, dann stieß sie eine geballte Faust in das trübe Neonlicht. »Ja!«, schrie sie, »ja!« So laut, dass sich mehrere der anderen Passagiere befremdet umdrehten.
    »Oh, Mann«, war alles, was lan sagte.
    In einem Pulk von ungefähr zwanzig Reisenden gingen sie den breiten Gang auf die Sicherheitskontrolle zu. Neben den Durchleuchtungsgeräten standen auch mehrere bewaffnete Sicherheitspolizisten. Schwarze Sicherheitspolizisten.
    Einer las etwas auf dem Bildschirm eines Computers.
    Henrietta und lan befanden sich inmitten des Passagierschwarms. Sie waren noch gut fünfzehn Meter von der Sicherheitskontrolle entfernt, als sich der Polizist, der den Bildschirm beobachtet hatte, aus der Gruppe löste und ihnen entgegenkam. Eine Gasse teilte sich für ihn, und ohne auch nur einen der anderen Passagiere anzusehen, ging er geradewegs auf Henrietta und lan zu und blieb vor ihr stehen. Verwirrt sah sie ihn an. Ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht, seine dunkelbraunen Au-497
    gen sahen tief in ihre. »Willkommen daheim«, sagte er mit dieser wunderbaren rauen afrikanischen Stimme.
    Sekundenlang blieb ihr Mund offen stehen, glaubte sie, sich verhört zu haben.
    Aber er stand noch immer da, lächelte sie an, als wusste er genau, wie es jetzt in ihr aussah.
    »Danke, danke ...«, stammelte sie dann, »oh, danke - wenn Sie nur wüssten, was das für mich heißt!«
    Wieder dieses Lächeln. »Ich weiß«, sagte er sanft, »willkommen daheim.«
    Sie stand ganz still da, bestand nur aus Sinnesfasern, spürte, dass auch lan den Atem angehalten hatte.
    Willkommen daheim, zitterte der Nachhall seiner Worte in der Luft. Es kam dann so, wie sie es immer geträumt hatte, und doch wurde sie von der Stärke der Explosion überwältigt, die die Gefängsnismauern wegsprengte, die ihre Seele so lange gefangen gehalten hatten. Sie schluchzte aus vollem Herzen, ein unbeschreiblich lustvolles Gefühl, ihre Nerven sangen, es überlief sie heiß und kalt, und sie wünschte sich Flügel, um in den Himmel aufzusteigen und zu jubilieren. Ihr Glück verändert die Atmosphäre

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