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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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gingen nur langsam auf die Menschenmenge zu, baten sie mit ruhiger Stimme zurückzugehen, verzichteten auf den üblichen Befehlston. Sie behielten die Nerven, und alles blieb friedlich. Doch dann war da plötzlich diese Frau. Sie war klein und dicklich, mit vollen, graublonden Haaren, offensichtlich in Hast mit einer Art schwarzem Haarband gebändigt, rundem Gesicht, in das die Lebensjahre tief eingegraben waren. Sie stand vor diesem großen, steif dastehenden Vopo, sah zu ihm hoch, mit tränenüberströmten Augen und offenem Mund. Aber es kam kein Wort heraus. Neben ihr stand ein junger Mann mit lockigen dunklen Haaren und Oberlippen-bärtchen. Er legte ihr wie zur Beruhigung die Hand auf die Schulter.
    »Einmal nur durchgehen«, stieß sie hervor, ihre Unterlippe zitterte, »ich geh auch wieder zurück!« Sie verstummte, rührte sich keinen Millimeter von ihrem Platz. Mittlerweile hatten sich mehrere Volkspolizisten vor ihr postiert und schauten auf sie hinunter. »Das schwör ich!«, schrie sie unvermittelt, »beim Leben meiner Kinder!« Sie klammerte sich an lans Hände, als sie sah, wie dann die Frau, geleitet von zwei jungen Männern und dem Vopo-Offizier zum Brandenburger Tor ging. Diese kleine Frau, nicht jung, nicht hübsch, nicht besonders, hatte es geschafft, nur kraft ihrer Sehnsucht ihren Willen gegen die Staatsgewalt durchzusetzen, durch das Tor ihr Paradies zu betreten.
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    In dem Moment schien ihr alles im Leben möglich, alles. In unbändiger Hoffnung dachte sie an ihren Garten in Afrika. Plötzlich spürte sie lans Arm um sich.
    »Es ist gut, mein Herz«, flüsterte er, »du darfst auch durch dein Brandenburger Tor gehen. Ich habe eine Überraschung für dich.« Er hielt ihr einen Umschlag hin. Sie wusste, bevor sie ihn öffnete, was er enthielt, und ihr Herz sprang. Als sie die Flugtickets herausgezogen und den Zielflughafen gelesen hatte, konnte sie minutenlang nicht sprechen. »Durban, Republik von Südafrika«, ihr Paradies, Abflug am 22. Dezember 1989. »Mein Weihnachtsgeschenk. Tita dreht schon durch vor Aufregung und plant bereits eine Riesenparty, die von Weihnachten bis Neujahr geht!«
    »Das - das geht nicht«, sagte sie tonlos, »du weißt, dass wir dorthin nicht zurückkönnen. Erinnerst du dich an unseren Streit nach Papas Tod? Worüber haben wir uns damals gestritten? Was ist heute anders?« Sie legte ihre Hand auf die verblasste Narbe am Hals. Er nahm ihre Hand, küsste die Innenfläche, aber er hielt seinen Blick abgewandt. »Liebes, wir sind Ende 1978 ausgereist, es ist elf Jahre her, ich bin über fünfzig - wer sollte sich für uns noch interessieren?«, fragte er leichthin.
    »Ich trau den südafrikanischen Sicherheitskräften alles zu, denk an Neils Worte vor vielen Jahren. Bist du ihnen einmal aufgefallen, gibt es eine Akte über dich, sagte er, dann kannst du machen, was du willst, sie wissen es schon vorher. Auch Cedric hat uns gewarnt.« Cedric, der ihr Anwalt war, zumindest bis zu dem Märztag 1968, als BOSS die Jagd auf sie eröffnete. Ihr geltet als subversiv, hatte er gewarnt, allein über dich existiert eine umfangreiche Akte. Fast ungeduldig wischte er ihre Worte mit einer Geste weg. »Daddy Kappenhofer hat es damals mit Dr. Krüger geregelt, vergiss das nicht.
    Schließlich sind wir 1972 ohne Probleme wieder eingereist.« »Trotzdem! Unsere Akte ist todsicher noch immer in ihrem Computer gespeichert. Ein paar schnelle Tastenkombinationen, und schon haben sie uns! Bei unserer Ausreise 1978 haben wir sie ganz schön ausgetrickst. Keiner hat das gern.«
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    Schon, aber so wichtig können wir unmöglich sein! - Mach dir Sorgen, Liebes, wir haben nichts getan.« Er zog sie in seine . »Sie werden uns in Ruhe lassen.« Es klang, als wollte er sich selbst überzeugen, und sie hörte es wohl.
    noch wie verführerisch waren seine Worte, wie stark ihr Verlangen, so stark, dass sie das salzige Meer riechen konnte, das Gezänk der Mainas hörte, der frechen, indischen Hirtenstare, meinte die sam-metweiche Luft auf ihrer Haut zu spüren. Instinktiv ertastete sie an ihrem Hals die kleine Stelle, da, wo die Schilddrüse sitzt, die noch immer empfindlich war, nachdem der Chirurg im Mai dort die Gewebeprobe entnommen hatte. Die Tür zu ihrem Paradies flog auf, es lag vor ihr im strahlenden Sonnenlicht, ihre Freunde winkten. Sie rieb die empfindliche Stelle am Hals und ignorierte den Unterton in seinen Worten, befahl ihrer bohrenden inneren Stimme zu schweigen.
    Es war nicht

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