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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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Mietvertrag ab. Er hätte das Haus gern gekauft und ein kleines Ferienapartmenthaus weiter unten auf dem Grundstück gebaut. »Wir werden dieses Haus nie verkaufen«, beschied ihm lan in einem Ton, der Mr. Norman nicht weiterfragen ließ. Außerdem durfte nur ein Wohnhaus auf diesem riesigen Grundstück errichtet werden, keine Tennisanlage, Reihenhäuser oder Luxusvillen oder, Gott bewahre, ein Hotel. Nur ein Haus und ein Garten, wie er nur in Natal wächst, mit Amatungulu, der Natal-Pflaume, umSinsi, dem Korallenbaum, der seine Flammenkrönchen im Winter trägt, und Umzimbiti, dem kleinen hübschen Baum, des-146
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    sen Massen von aufrechten Blütendolden wie zartblaue Schleier im Dezember und Januar über dem Garten lagen. So hatte es Luise von Plessing, diese feine, alte Dame, von der sie 1965 das Land gekauft hatten, gewollt, so lautete der Kaufvertrag.
    »Henrietta!« Es war Luises Stimme, die sie vernahm und meinte sogar, schattenhaft ihre Gestalt erkennen zu können. Sie lächelte in sich hinein, vergaß Julia am anderen Ende der Telefonleitung, griff zu dem Anhänger, den sie stets um den Hals trug. Eine Münze, in der das Kreuz des Südens in Diamanten funkelte, den Luise ihr eines Tages schenkte. Ihr Mann hatte sie anfertigen lassen, als er und seine blutjunge Frau vor vielen Jahrzehnten in Natal gelandet waren. Luise, diese wunderbare Frau, schon Ende siebzig, als Henrietta sie 1960 kennen lernte, die ihr Mutter und Großmutter werden sollte, die ihr das Leben zeigte, wie es wirklich war, aufregend, voller Herausforderung und schön.
    Oh, wie schön konnte das Leben erscheinen, wenn Luise davon sprach! Sie liebte die Menschen, fand zu jedem einen instinktiven Weg, schaute mit ihren seeblauen Augen ihnen direkt ins Herz. Jan und Julia erzählte sie an langen Abenden von ihrer Farm in Zululand, die sie mit ihrem Mann aufgebaut hatte, nahm sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit, in das wilde Afrika. Sie lehrte sie Achtung und Liebe für das Land und ihre Menschen zu haben. Zusammen wanderten sie über ihr Grundstück, das nicht weit von Henriettas Haus auf der Krone des sanft zum Meer abfallenden Landes lag. Die alte Dame, noch immer ungebeugt, an ihrer Hand die beiden goldschöpfigen Kinder, und hinter ihnen William, der baumlange Zulu, der für sie sorgte und sie stets mit einem großen gelben Sonnenschirm schützte, wurden zu einer bekannten Erscheinung. »Eine weiße Lady sollte ihre Haut nicht der Sonne aussetzen«, erklärte William missbilligend. Seine Vorstellungen von dem Dasein einer hoch gestellten weißen Lady ihres Alters unterschieden sich krass von denen von Luise von Plessing.
    Sie dachte sich nichts dabei, in glühender Sonne ihre Beete umzugraben oder die kleinen wilden
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    pflüc^en> die an dem knorrigen Baum am Fuße ihres Gartens wuchsen, und Chutney daraus zu kochen. »Im Sessel sitzen und stricken kann ich immer noch, wenn ich alt bin«, lachte sie und war
    jünger
    als die meisten Menschen, die Henrietta kannte.
    sie sich damals, 1968, in diesen schrecklichen Tagen von Luise verabschiedete, ihr nur sagte, dass sie nach Schottland fliegen würde, hatte sie sie mit ihren gütigen Augen gemustert. Henrietta fühlte diesen Blick bis in ihr Innerstes.
    »Du bist das Einzige, was ich noch habe. Bitte gehe vorsichtig mit mir um«, bat Luise leise. Ihre Worte durchbrachen die Schutzmauer, die Henrietta um sich aufgebaut hatte, um diese Tage durchzustehen, und sie erzählte ihr alles, die ganze schlimme Geschichte.
    Luise hielt sie fest, streichelte sie. »Du bist stark, ich kenne dich«, murmelte sie, »du wirst es schaffen und hierher zurückkehren. Ich verspreche dir, dass ich auf dich warten werde. Ich werde hier sein, wenn du wiederkommst.« Noch heute fühlte Henrietta ihre rauen, warmen Gärtnerhände.
    Sie hielt ihr Versprechen. Sie war da, sie wartete am Flughafen, als die Familie 1972 zurückkehrte. Sie liefen in ihre offenen Arme. »Willkommen, meine Kinder, willkommen zu Hause«, lachte Luise, »oh, ist das schön, nun bin ich nicht mehr allein!« Ihre Arme um Julia und Jan gelegt, ging sie voran mit dem federnden Schritt einer jungen Frau. William, den gelben Sonnenschirm über sie haltend, obwohl es bedeckt war, folgte ihnen mit Freudentränen in den Augen.
    An einem trockenen, heißen Januarmorgen 1974, zwei Jahre später, sehr früh, stand er plötzlich vor Henriettas Tür. Er war schweißüberströmt, schien gerannt zu sein, sein Atem ging stoßweise, denn er war alt

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