Ins dunkle Herz Afrikas
ein Tätigkeitsfeld für Helga umzusehen.
Sie sah zu Ingrid hinüber. Seit dem Abend im >Dorfkrug< hatten sie die Vertrautheit jener Nacht, bevor das Urteil über ihre Gesundheit ßel; wieder gefunden. Es verband sie die beste Art Freundschaft, eine, in der man keine Maske brauchte, sie war wie ein sanfter Regen, der den Boden für Wurzeln weich und durchlässig macht. Politisch waren sie zwar gegensätzlicher Meinung, vermieden Diskussionen, die in Streit hätten ausarten können, legten aber auch kein Schweigen darüber.
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Sonntag, den 10. Dezember 1989 - in Hamburg
Am Nachmittag zwei Wochen vor ihrer Abreise, am zweiten Advent, saßen die Cargills in ihrem Wohnzimmer und tranken Kaffee. Sie hatte Streuselkuchen gebacken, das Kaminfeuer brannte, und die Kerzen auf dem Adventskranz spiegelten sich in den hohen Fenstern, lan las Zeitung, Henrietta skizzierte die Vorlage zu einem Aquarell, »Spatzen im Schnee«. Ein Halogenscheinwerfer flutete den Garten bis zum Zaun mit bläulichem Licht, verwandelte die dünne Schneeschicht in eine kristallbestickte, glitzernde Decke. Sachte schwebten schimmernde Schneeflocken aus der Dunkelheit. »Sag mal, weißt du, wo mein Impfpass ist? Letztes Jahr, als wir nach Bangkok geflogen sind, hab ich ihn zuletzt gesehen. Ich glaube, meine Tetanusimpfung ist wieder fällig.«
lan schlug die Zeitung zurück. »Im Schreibtisch liegen beide Impfpässe. Bitte bring doch meinen auch gleich mit.« Im Gästezimmer, das gleichzeitig als Arbeits- und Bügelzimmer benutzt wurde, stand der Schreibtisch. Sie blätterte rasch durch die Papierstapel in den Schubladen. Nichts. Sie zog die Mittelschublade auf. Ein paar Heftordner, lans Terminplaner, Überweisungsformu-lare. Sie zog die Lade weiter auf, doch sie hakte. Sie schob ihre Hand hinein und fand ganz hinten einen verknickten DIN-A4-Umschlag. Er war offen und an lan gerichtet. Sie legte ihn beiseite, doch der Umschlag glitt vom Tisch und fiel auf den Boden. Ein Zeitungsfoto schaute teilweise heraus.
Sie haben ihn gefunden, er trug eine Erkennungsmarke, las sie die handschriftliche Notiz. Darunter in derselben ungelenken, runden Schrift stand
»Vilikazi«. Sie zögerte. Keiner von ihnen las ungefragt des anderen Post. Es ist nur ein Bild, entschied sie und nahm das Foto her-162
aus. Es zeigte die tuchverhüllten sterblichen Überreste eines Menschen am Ufer eines breiten Flusses.
Wer warf Schwerverletzten Krokodilen zum Fraß vor? Mit gerunzelten Brauen las sie weiter. Das Skelett des seit fast elf Jahren vermissten weißen Wildhüters sei während der herrschenden extremen Dürre an der Grenze zu Mosambik durch den fallenden Wasserspiegel zum Vorschein gekommen. Sein rechtes Bein fehlte, die Zahnspuren in den Knochen deuteten auf ein besonders großes Krokodil hin.
Der Unterkiefer des Mannes jedoch war durch einen Schuss zertrümmert. Ob er noch lebte, als ihn das Krokodil zerfleischte, war nicht mehr festzustellen.
Das Foto zeigte noch einen Mann, er schien etwa Anfang sechzig zu sein, doch die tiefen Furchen, die sein Gesicht durchschnitten, machten ihn älter. Er trug einen Schlapphut mit Nackenschutz. Ich werde den Mörder meines Sohnes finden, schwört Koos Potgieter, Mitglied der SAP stand darunter. Das Datum war der 3. l. 1979. Befremdet drehte sie den Zeitungsausschnitt um, aber die Rückseite zeigte nichts von Interesse. Sie wandte ihn wieder um. Koos Potgieter starrte ihr in die Augen. Selbst auf diesem Zeitungsfoto minderwertiger Qualität konnte sie die Entschlossenheit erkennen, die er ausstrahlte. Ein harter Mann, einer, der nie aufgibt, dachte sie. Einer, den man fürchten muss. Sie ging ins Wohnzimmer zurück. »Sieh mal, was ich gefunden habe. Was bedeutet das? Wer war dieser Tote? SAP - das heißt doch South African Police, nicht wahr?« lan nahm ihr den Zeitungsausschnitt ab. »Oh«, sagte er. Das Bild entglitt ihm. Langsam bückte er sich danach, hielt sein Gesicht abgewandt. »Oh, das. Ein Freund von Vilikazi, der vor vielen Jahren verschwand. Ich kannte ihn flüchtig.«
in Weißer?« Ungläubig betrachtete sie das Foto noch einmal, hn dehnte seinen Mund zu einem Lächeln, hob seine Augen nicht on seiner Lektüre, der er sich wieder zugewandt hatte. »Auch ich bm weiß und bin ein Freund von Vilikazi.«
»Ach so. Natürlich.« Sie schob das Bild in den Umschlag. »Ich muss Essen machen. Es gibt Kokosnuss-Curry.«
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»Lecker, lecker«, murmelte er hinter seiner Zeitung. Die Gartenpforte
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