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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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rauszukriegen«, sagte ihr Anwalt, und sie teilten es Vilikazi am Telefon mit, als er, wie verabredet, zwischen sieben und acht anrief.
    Er kam ein paar Stunden später im Schutz der mondlosen Nacht. Umständlich fischte er ein Fläschchen aus der Hosentasche und reichte es lan. »Sieh zu, dass Imbali das erhält, dann ist deine Schuld getilgt«. Seine Augen warnten sie, weiterzufragen, und sie taten es nicht.

Über ihren Anwalt konnten sie das Fläschchen nicht ins Gefängnis schmuggeln, er wurde zwar gut bezahlt, war aber nicht eingeweiht, nicht einer von ihnen.
    Das Fläschchen erreichte auf einem komplizierten Weg über einen indischen Anwalt, den Neil kannte, eine Woche später Imbali. Was das Fläschchen enthielt, erfuhren sie nie. Aber eines Abends erschien Vilikazi bei den Cargills. »Sie hat's geschafft«, grinste er glücklich, »sie ist über die Grenze. Ich musste unserem Inyanga eine Kuh für das Fläschchen zahlen. Er ist ein Meister der Kräuterkunde.« Grinsend klatschte er in die Hände und stampfte
    - einen Triumphtanz.
    Tan holte ein paar Geldscheine aus dem Safe und reichte Vilikazi einen kleinen Stapel. »Kriegt man dafür eine Kuh?« »Ja, Mann«, lachte Vilikazi und stopfte die Scheine in seine Tasche, »ja, dafür kriegt man eine Kuh!«
    Neu klärte sie auf. »Ich vermute, dass sie einen scheußlich aussehenden Ausschlag bekommen hat oder etwas ähnlich Abstoßendes. Jedenfalls hat man sie in ein anderes Gefängnis transportiert, das eine Krankenstation hat. Der Transport wurde überfallen, Imbali konnte fliehen, und ihr solltet den Kontakt zu Vilikazi und Sarah für eine Zeit abbrechen, die Bluthunde von BOSS haben eure Fährte wieder aufgenommen.«
    Für einige Zeit beobachteten sie daraufhin ihre Umgebung aufmerksamer, lauschten auf den hohlen Nachklang im Telefon, der ihnen zeigte, dass abgehört wurde. Doch die Sache hatte kein Nachspiel, es passierte nichts. Vilikazi und Sarah, die sie natürlich wieder sahen, schwiegen sich über Imbali aus.
    »Bist du noch dran, Mami?«, fragte Jan am anderen Ende des Telefons, »hast du mir eigentlich zugehört? Ich hatte dich etwas gefragt.«
    »Natürlich! Die ganze Sache verlief im Sande, es gab nie irgendwelche Schwierigkeiten«, erwiderte sie, »ich weiß nicht einmal genau, was aus Imbali geworden ist.«
    »Ihr seid für euer Alter wirklich ungewöhnlich naiv«, knurrte er in seiner Elternstimme.
    »Wir können ganz gut auf uns aufpassen«, versuchte sie ihn zu beruhigen. Die Jugend heutzutage, sicher hinter einer Barriere von Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Kündigungsschutz -
    sogar fürs Sterben gab es einen Zu-schuss -, hatte eben ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis. Nicht das Material, aus dem früher Pioniere geschnitzt wurden. Auch Julia versuchte noch einmal, sie umzustimmen. »Bitte erkläre mir, Mami, was euch dazu bewegt, wieder in dieses Land zu fahren. Habt ihr nicht genug Schlimmes dort erlebt? Warum tut ihr euch das 156
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    an? Ich bin eure Tochter, ich habe das Recht, es zu wissen!« Ihre Stimme stieg um eine Oktave.
    Aber ihre Mutter verschloss sich. »Das verstehst du nicht.«
    »Eben, das sagte ich ja. Ich verstehe es nicht, also erkläre es mir bitte.«
    Sie lehnte am Fenster. Es war sehr kalt an diesem Tag. Nebel hing in den kahlen Zweigen der Apfelbäume, der erste starke Frost hatte alle Sommerpflanzen umgebracht. Braun und schlaff lagen sie am Boden. Raureif überzog alles wie ein Schimmelpelz. »Ich brauche Farbe und Wärme, den weiten Himmel.« Sie zögerte. Wie sollte sie Julia erklären, was Afrika für sie bedeutete? Sie dachte an die Frau, die durch das Brandenburger Tor gehen durfte.
    »Das kann es doch nicht sein! Das hast du doch auch auf Mallorca«, bemerkte Julia ungläubig, »da gibt es keine Malaria, keine Schlangen, und ganz besonders gibt es nicht BOSS. Wenn ihr euch einbildet, dass da Springböcke herumspringen und Nashörner durchs Unterholz galoppieren, ist es doch fast wie Afrika.« Das stimmt, dachte sie, aber es ist eben nicht Afrika. »Ich habe keine Angst vor Schlangen und Malaria.«
    »Aber sieh dir doch Afrika an, nichts als Blut und Tränen.« Sie schwieg lange, nur ihr gemeinsames Atmen war zu hören. »Ich habe Sehnsucht«, sagte sie endlich, und ihre Stimme raschelte wie trockene Blätter, »ich habe Sehnsucht nach Wärme, die nichts mit der Sonne zu tun hat, sondern mit Menschen.« »Mami, die Menschen haben euch nach dem Leben getrachtet!

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