Ins dunkle Herz Afrikas
Er hob die Oberlippe und dehnte sie, wie ein Hund, der die Zähne fletscht, kurz bevor er zubeißt. Er schien nicht einverstanden zu sein mit dieser Entscheidung.
lan nahm die Pässe sofort an sich und strebte der Tür zu. Henrietta aber spürte die unterschwellige Stimmung, die Schwingungen im Raum, die sie wie Funksignale auffing, spürte deutlich, dass es noch nicht vorüber war. Die schwer bewaffneten Polizisten strichen in der Halle umher, unruhig, so kam es ihr vor, wie eine Meute hungriger Wölfe, der die sichere Beute entrissen wurde. Sie räusperte sich. »Was werfen Sie uns eigenlich vor?«, fragte sie in einem Versuch, furchtlos zu erscheinen. »Das, Mrs. Cargill, sollten Sie am besten wissen.« »Ich habe keine Ahnung. Wir sind seit elf Jahren nicht mehr in Südafrika gewesen.« Wie macht man seine Stimme so seidig und gleichzeitig bedrohlich? Ob denen das beigebracht wird? Meine Herren, heute lernen wir, unsere Stimme als Waffe zu benutzen? »Wenden Sie sich an Pretoria. Wir sind nicht berechtigt, Auskunft zu geben.«
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»Ich glaub Ihnen kein Wort! - Was passiert nun? Werden wir Ihre Leute nun die ganze Zeit im Nacken haben? Wird uns immer jemand auf den Fersen sein und uns beobachten?«
»Aber nein, Mrs. Cargill, keine Sorge«, war seine Antwort, doch seine Körpersprache strafte ihn Lügen, Verschlagenheit lag in seinem Blick, Spott kräuselte seine Mundwinkel, und sein Ton klang, als würde er trachten, ein Kind zu beruhigen.
Empörung schüttelte sie wieder. »Wo sind unsere Koffer?« Ihre Stimme war eisig, arrogant. »Ich hoffe, Sie haben gut darauf aufge-passt. Hier soll ja viel gestohlen werden!« lans Hand auf ihrer Schulter warnte sie. Sie hielt die Luft an, um diese Wut, die sie gepackt hatte wie zwei riesige Fäuste, die sie ihre Vorsicht vergessen und reden ließ, bevor sie die Worte abwägen konnte, niederzudrücken. Der mit den öligen Haaren stand plötzlich dicht vor ihr, so dass sie die Kraterlandschaft seiner großporigen, fettigen Gesichtshaut unmittelbar vor sich sah. »Mrs. Cargill, vergessen Sie nie, dass Sie Gast sind in unserem Land. Ein geduldeter Gast!« Jetzt waren seine Worte eine unverhüllte Drohung.
»Werden wir nicht«, antwortete lan hastig, »danke ... komm, Liebling.« Er drehte sie mit festem Griff um und schob sie unsanft zur Tür. »Reiß dich zusammen«, knurrte er, »du reizt sie immer mehr!« Der Polizeioffizier führte sie durch die Passkontrolle, vorbei an den Zöllnern hinaus in die Halle. Zwei Kofferträger warteten bereits mit ihren Koffern. Der Polizist schnippte mit den Fingern, und sie setzten sich eilig in Bewegung. Auf seine Anweisung trugen sie die Koffer durch das Spalier der wenigen Reisenden, die sich an diesem Sonnabend vor Weihnachten noch im Flughafen aufhielten. Einer knappen Geste des Polizisten gehorchend, folgten die Cargills ihnen mit gesenkten Köpfen. Henrietta bildete sich ein, dass jeder wusste, was hier vorging. In Gedanken hörte sie Ketten klirren. »Was hab ich mich nur über eine läppische Fichtenhecke so aufregen können!«, sagte sie tonlos.
Susi lag wie hingegossen auf einer Bank, das rote Strickkleid war hochgerutscht, der Nerz achdos auf den Boden geworfen, und schlief 218
fest. Eine große Tasche aus glänzend schwarzem Leder lag auf der Seite unter der Bank.
»Verdammt, ich hatte vergessen, dass Susi hier ist. Ich habe jetzt nicht die geringste Lust, ihrem Plappern zuzuhören.« Unschlüssig stand sie vor der Schlafenden. »Ich lass sie einfach weiterschlafen. Irgendwo wird sie wohl ein Hotel gebucht haben, und sie ist eine erwachsene Frau, die kann sich allein zurechtfinden - komm.« Sie zog lan weiter.
Susi maunzte wie ein Kätzchen im Schlaf. Ergeben seufzend drehte sie sich um.
»Wie sie es fertig bringt, immer noch auszusehen wie ein kleines Mädchen, weiß ich nicht!« Unmutig rüttelte sie Susi wach.
Ihre Cousine schlug ihre großen Augen auf, reckte sich verschlafen. Als sie Henrietta erkannte, sprang sie auf. »Oh, hallo! Endlich! Kann ich mit euch fahren?«
Henrietta musste an ein freundliches kleines Hündchen denken und unterdrückte einen irritierten Seufzer. »Wo ist dein Gepäck?« Susi deutete auf die Tasche.
»Ich hab nur ein paar Klamotten und meine Zahnbürste eingesteckt.«
»Ist das alles? Wohin willst du denn? Welches Hotel hast du gebucht?« Aber sie ahnte schon die Anwort.
Susi zuckte mit den Schultern, schüttelte gleichzeitig den Kopf und brachte es fertig, auszusehen wie ein
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