Ins dunkle Herz Afrikas
sehnte. Als sie es nicht mehr aushielt, sprang sie auf, lief zur Tür. Die Maschinenpistole des jungen Polizisten versperrte ihr den Weg. »Setzen Sie sich«, fuhr er sie an. »Bitte«, fügte er jedoch hinzu, lan zog sie auf die Bank zurück. »Nimm dich zusammen, Liebling, die haben keine Ahnung, das sind nur die Wachhunde. Ich könnte ihn überraschen und entwaffnen«, flüsterte er ihr ins Ohr, »ein oder zwei der anderen zumindest so lange aufhalten, dass du aus dem Raum hier durch die Halle auf die Straße flüchten könntest.« Sie kicherte völlig überdreht. »Und dann? Wohin soll ich denn fliehen. Sieh mich doch an, groß, blond, winterweiß
- auffällig wie ein Leuchtfeuer, hat Sarah einmal gesagt - ich könnte mich nicht in der Menge verstecken.« Vermutlich würde keiner von ihnen beiden einen Fluchtversuch überleben, wahrscheinlich war, dass sie von Kugeln durchsiebt auf dem schmutzigen Fliesenboden der Halle sterben würden!
Hör auf, Amok zu laufen, schrie sie sich innerlich an, das ist völlig unsinnig, keiner würde auf uns schießen. »Quatsch«, sagte sie dann laut, »wir machen uns total verrückt, es muss ein Irrtum vorliegen!« Er streichelte sie.
»Natürlich, du hast Recht. Mach dir keine Sorgen, es ist bald vorbei, und stell dir vor, was wir dann zu erzählen haben! Ganze Dinnerpartys können wir damit unterhalten.« Er dehnte seine Lippen zu einem Lächeln, aber sein Gesicht schimmerte bläulich weiß.
Sie ging nicht auf seinen Versuch zu scherzen ein. »Die wollen Pretoria anrufen, Liebling, das kann doch nicht wahr sein«, sie musste sich bei ihm anlehnen, »unseretwegen wollen sie die Regierung anrufen. Wir können doch unmöglich so wichtig sein. Sag mir, dass es einer meiner schlechten Träume ist. Kneif mich, damit ich aufwache.« Ihre Haut war glitschig vor Schweiß.
Eine Tür schlug im Hintergrund, jemand betrat den Raum nebenan, eine aggressive männliche Stimme dröhnte durch die Wand. Kurz darauf knallte die Tür noch einmal, ein Mann verließ den Raum. Sie 211
hob den Kopf und erhaschte sein Spiegelbild in der Glastür auf der anderen Seite des Ganges. Er war stehen geblieben, kehrte der Tür den Rücken zu. Ein großer, massiger Mann, registrierte sie, breite Schultern, blaues Hemd, Ärmel hochgekrempelt, der linke baumelte leer herunter.
Leer! Es traf sie wie ein Blitzschlag. Der linke Ärmel oberhalb des Ellenbogengelenks des Mannes war leer! Bildfetzen wirbelten ihr durch den Kopf, explodierende Melonen, Leichen auf Reservereifen geschnallt, Menschen, die aus einem Hubschrauber geworfen wurden. Babababamm!
»Da«,, stotterte sie, »da ... dieser Typ ...«, pfeifend sog sie Luft durch ihre zugeschnürte Kehle, »der mit dem amputierten Arm!« Ihr Zeigefinger bebte.
»Da ist er wieder! Der aus Palma!« Sie spürte, wie lan zusammenzuckte, sein Atem kam in unregelmäßigen Stößen. Doch nach einem Augenblick fühlte sie, wie er sich wieder leicht entspannte. »Das ist nicht Len - bei dem hier ist der rechte Arm amputiert, Len hatte seinen Linken verloren - du siehst ihn im Spiegelbild!«
Henrietta schloss die Augen. Ich habe ein Minenfeld im Kopf, dachte sie, ich weiß nicht mehr, wohin ich sicher treten kann. Wie soll ich das aushaken?
Die Halle leerte sich, und sie blieben als Einzige zurück, sie und die zehn oder zwölf Polizisten. Er sah auf die Uhr. »Wir sitzen hier seit mehr als zwei Stunden. Ich geh jetzt zu dem Kerl, der unsere Pässe hat. Ich will wissen, was los ist.«
»Sei vorsichtig!« Sie folgte ihm. Von ihm getrennt zu sein, und wenn es nur ein paar Meter waren, das konnte sie jetzt nicht durchstehen. Das kleine Büro mit den hohen, vergitterten Fenstern war fast schattenlos unter der kalten Neonbeleuchtung. Der Beamte hinter dem Schreibtisch war gedrungen und rundlich, aber nicht fett. Seine grauen Haare trug er sorgfältig gescheitelt, auf seiner Oberlippe saß ein Bärtchen, schmal wie ein Bleistiftstrich.
»Bleiben Sie nebenan sitzen, Mr. Cargill, bis wir Pretoria erreicht haben.«
»Es ist Sonnabend, einen Tag vor Weihnachten, und bereits nach 212
drei Uhr, es wird kein Mensch da sein. Wie lange wollen Sie uns hier festhalten?«
»Bis wir Anweisungen haben, was mit Ihnen zu geschehen hat. Und, MX. Cargill, das betreffende Büro in Pretoria ist immer besetzt.« Mit einer Handbewegung verwies er sie wieder ins Nebenzimmer. »BOSS«, hauchte sie, und das Blut sackte ihr in die Beine, »die Staatssicherheit. Welcher Teufel hat uns nur
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