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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Wutanfall bekommt, kann ich mir nicht vorstellen!«
    »Ein Furcht erregender Anblick«, lachte sie, »er kriegt ein knallrotes Gesicht, seine Haare stehen zu Berge, und unser Jan schwört, dass sich seine Augenbrauen sträuben. Ich glaub, ich bin die Einzige, die unbeeindruckt bleibt. Meistens beeilen sich seine Leute und führen schleunigst aus, was er anordnet, aber nicht in diesem Fall! Er hatte es den Arbeitern erklärt, immer und immer wieder. Vilikazi übersetzte seine Anweisungen und Erklärungen auf Zulu. Aber es nützte nichts, die Klappe stand offen, und die Maschine produzierte Schrott. Ein Schloss, das er zeitweilig davor hängte, verschwand auf mysteriöse Art und Weise. Also bekam er einen Wutanfall.« Wind war aufgekommen und zerrte an dem Sonnenschirm, blies trockenen Sand über die von der Sonne hart gebackene Oberfläche des Strandes. Er prickelte auf der Haut und fand seinen Weg überallhin.
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    Mit dem Zipfel ihres weiten, weißen Baumwollhemdes wischte sie sich ein paar Körner aus den Augenwinkeln. »Daraufhin erklärte ihm Vilikazi, dass dieses Problem eins sei, das auf Stammesebene gelöst werden müsste, und außerdem wäre es unter lans Würde, sich mit so dummen, einfachen Leuten abzugeben. Er bestellte einen Sangoma.«
    lan hatte ihn ihr beschrieben. »Er kam in voller Montur, mit Leopardenfell, Affenschwänzen, dicker Kette aus Löwenzähnen, Lendenschurz, Federkrone. Unter seinem Leopardenfell trug er allerdings einen Armeepullover, denn es war ein saukalter Junitag. Die Zeremonie dauerte über eine Stunde, und ich durfte nicht dabei sein. Als er dann weg war, hing ein Hühnerknochen vor der Klappe, und von dem Moment an blieb die Klappe geschlossen. Der Hühnerknochen hängt heute noch da.«
    »Typisch Muntu«, murmelte Tita schläfrig, »was kann man von denen schon erwarten.«
    Henrietta seufzte. Sie hatte aufgegeben, ihre Freundin zu erziehen. »Aber es funktioniert«, kommentierte sie und kniff die Augen gegen das blendende Licht.
    Das Wasser stieg schon wieder, schäumte um die Felsen, überspülte ihre Füße.
    Weit draußen in der Dünung des Indischen Ozeans dümpelte das nussschalengroße Boot des Haiforschungsinstituts von Natal. Ein paar Delfine sprangen in eleganten Bogen um das Boot herum, tänzelten auf ihren Schwänzen, fielen zurück und zogen pfeilschnell hinaus aufs Meer. Der Dampfer, der auf dem Horizont schwamm, drehte den Bug nach Osten und verschwand über den Rand der Welt. Träge von der Sonne, wandte sie langsam ihren Kopf und sah die farbigen Schnorchel von Julia und Sammy in Granny's Pool auf dem Wasser tanzen. Die Mädchen waren auf der Jagd nach einem zitronengelben Doktorfisch für Julias Aquarium.
    Grannys Pool wurde durch zwei parallel schräg zu den Wellen verlaufende, langgestreckte Reihen von Klippen gebildet, die die Wucht der Brandung brachen, das Meer zähmten. Dazwischen war das Wasser ruhig und nicht tief, ein Sammelplatz für Fische. Jan, der mit sei-74
    nen Freunden nach Langusten fischte, tauchte zwischen den Felsen auf, schob seine Tauchermaske über die Stirn und hielt triumphierend ein zappelndes Krustentier hoch. »Die heile Welt«, murmelte sie auf Deutsch. »Heile Welt?«, wiederholte Tita schläfrig, »was ist das?« Ein schmeichelnder Wind war aufgekommen, und der musselinfeine Salzschleier über der Gischt verwehte in der sanften Brise. »Eine Illusion«, antwortete Henrietta, »etwas, was es nicht wirklich gibt.«
    Nachdem Augusta wenige Wochen bei ihr gearbeitet hatte, waren zwei Bestecksets ihres Familiensilbers verschwunden. Sie wusste, dass Augusta ihre gesamte Familie mit Lebensmitteln aus ihrer Küche versorgte, ließ sie aber gewähren.
    Sie konnte es sich leisten. Doch Mamas silbernes Tafelbesteck - das war zu viel. Sie rief Augusta in die Küche und beschrieb genau, was fehlte.
    »Bitte, such das ganze Haus ab. Leider habe ich keine Zeit mitzusu-chen, ich muss noch kurz weg.« Das würde Augusta Gelegenheit geben, das Besteck unauffällig zurückzulegen. »Wenn das Besteck bei meiner Rückkehr nicht wieder da ist, muss ich wohl zur Polizei gehen.« Ganz bestimmt nicht, aber das wusste Augusta nicht. »Dieses Besteck haben mir meine Eltern geschenkt«, setzte sie wohl kalkuliert hinzu, denn die Familie bedeutet alles für die Zulus, Augusta würde sehr sorgfältig suchen.
    Eine Stunde später kehrte sie zurück. Das Besteck war nicht wieder aufgetaucht. »Dieses Mädchen, diese Sarah, hat es genommen«, rief Augusta und

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