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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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Mutter Russin, der Vater ein Kollege von Fredrik Stolt. Ingrid Solberg.«
    »Den Solberg hat sie geheiratet. Netter Mann. Sie kommen mich immer mal wieder besuchen. So schade, das mit ihrer Unfruchtbarkeit. Ein Jammer. Ich habe ja nie geglaubt, Fredrik Stolt hätte Magnus erschlagen, so wie Karl es behauptet hat. Karl, der war ein wenig eifersüchtig auf Fredrik. Auch ein schöner Mann. Aber dass Fredrik sich eingemischt hat, als es um Ingrids Schwangerschaft ging, das hätte er nicht tun sollen. Kann schon verstehen, dass er sich verantwortlich gefühlt hat, aber das hat sie ihre Kinder gekostet.«
    Kirsten erhob sich abrupt, noch während Tim übersetzte. Idunn Osmund fragte: »Wollen Sie sich denn keine Notizen machen? Können Sie sich das alles merken?«
    »Wir haben schon ein Notizbuch, danke.«
    »Ja, die jungen Leute. Damals, in Ihrem Alter, da war mein Gedächtnis auch noch gut.«
    »Es scheint auch jetzt noch gut zu funktionieren.« Kirsten stand am Fenster. Ein paar Kinder mit Rucksäcken liefen unter ihr über die schneebedeckte Straße. Sie schoben ihre Fahrräder und lachten über eine Frau auf hochhackigen Schuhen, die vor ihnen über den Schnee wackelte. Zehn Meter weiter rutschte die Frau aus und stürzte. Das Gelächter flammte auf und erstarb abrupt, obwohl die Frau sich sofort wieder aufrappelte.
    Schuld.
    »Erzählen Sie mir bitte mehr von Ingrid. Ich dachte, ihr Vater wäre an einer Krankheit gestorben.«
    »Nein, es waren die Folgen des Mineneinsturzes. Was Hartes hat seinen Kopf getroffen, und dann lag er da. Alle haben ihn für tot gehalten, sogar das Team, das sie schließlich befreit hat. Selbst Fredrik Stolt hat ihn für tot gehalten, hat gedacht, mit einer Leiche verschüttet zu sein. Erst der Arzt hat festgestellt, dass Magnus noch lebte. Das hat dem armen Kerl aber nichts genutzt, er ist dann später im Krankenbett gestorben. Aber was soll’s, kommt ja aufs selbe raus.«
    »Und Ingrid?«
    »Ingrid war Magnus’ und Katharinas einziges Kind. Wie sie klein war, hat jeder sie für einen Jungen gehalten, nicht weil sie so aussah, sondern weil Magnus sie ständig überallhin mitgeschleift hat. Katharina hat später wieder geheiratet. Nicht aus Liebe, nein, sie hatte ja keine Perspektive. Sie gingen nach Barentsburg, ihr neuer Kerl war Russe. Er hat Ingrid besseres Russisch beigebracht, als sie es von ihrer Mutter je gelernt hat. Aber das war auch alles, ich persönlich glaube, er war zu beschränkt, um Norwegisch mit ihr zu sprechen. Nicht ein Wort. Katharina, der hat er auch etwas beigebracht, bevor er abgekratzt ist: zu viel über Alkohol. Zum Glück war Ingrid dann auf einem Internat auf dem Festland, also weit weg von ihrer Mutter. Das war schrecklich für Katharina. Das hat sie mir erzählt. Gesessen hat sie hier, in meiner Küche. Nein, nicht in dieser, damals haben Karl und ich woanders gelebt. Und geheult hat sie. Jedes Mal. Dabei hat Ingrid oft geschrieben, seitenweise. Ihre Mutter, ich bin nicht sicher, wie gut sie lesen konnte. Stundenlang konnte sie die Briefe anstarren. Mit siebzehn, da ist Ingrid zurückgekommen, aber da war Katharina dann tot. Und Ingrid, die ist schwanger geworden. Auch von einem Minenarbeiter, es dreht sich doch immer alles im Kreis. Ja, im Kreis, sogar hier, obwohl die Erde, die eiert so nahe am Pol mehr. Und der Pol, der ist eh nicht fest. Dazu gab’s einen Vortrag letztens, von einem von der Universität, aber verstanden habe ich es nicht. Die Welt schwankt wie ein Besoffener um sich selbst, als ob man dafür studieren müsste. Auf jeden Fall, eine elende Situation. Ingrid wollte das Kind ja selbst nicht. Den Typen, der es ihr gemacht hat, den hat sie verachtet. Sie wusste nicht, was sie wollte, zum ersten Mal. Schule fertig machen, alles hinschmeißen? Hierbleiben, weggehen?«
    Kirsten saß mittlerweile auf den Flaschen, die Lennart geliefert und unter das Fenster gestellt hatte. Jonas, unbeachtet, schüttete eifrig Zimt und Zucker auf seinen letzten Rest Milchreis, bis eine braune Wolke vor ihm in der Luft staubte.
    »Ja, da kam dann Fredrik zurück. Hat sie überzeugt, wieder zur Schule zu gehen. Das mit dem Kind, das hat er ihr auch ausgeredet. Sie solle sich nicht die Zukunft versauen, sie sei ja so jung. Ganz unrecht hatte er da nicht, trotzdem hat er da Mist gebaut. Für Ingrid ging das nämlich schief. Die Abtreibung. Später hat sie erfahren, sie könne keine Kinder mehr bekommen. Katholisch könnte man bei so einer Geschichte werden,

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