Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
Vom Netzwerk:
Spitzbergen Verkaufsquoten für Alkohol. Es ging ihm auch nicht ums Geld, sondern darum, mit meiner Hilfe seine Rationierung zu umgehen.«
    »Und jetzt sitzt du auf dem Trockenen? Meine Güte, Tim, ich schulde dir echt was. Dabei hättest du nach der letzten Woche bestimmt einen Vollrausch nötig.«
    »Du hast ja keine Ahnung, was ich mittlerweile rauche.«
    Sie standen vor einem der eintönig anmutenden Wohnblöcke. Die Eingangstür war offen. Tim drückte sie auf und ließ Kirsten den Vortritt. »Sie erwartet uns.«
    »Was hast du ihr gesagt?«
    »Dass du eine Reporterin aus Deutschland bist, die ein Buch über die Lebensgeschichten deutscher Bankiers schreibt. Dass du über Fredrik Stolt recherchierst. Der Name hat ihr sofort etwas gesagt.«
    Kirsten hielt auf der Treppe inne. »Hältst du das für klug?«
    »Ich hatte nicht viel Zeit, mir etwas Besseres auszudenken. Wie soll ich dich vorstellen?«
    »Als Kirsten Hosenschläger. Mein Mädchenname.«
    »Hosenschläger?«
    »Sag nichts. Stolt war eine echte Adelung.« Im Stockwerk über ihnen öffnete sich eine Tür. Sie seufzte. »Also los, lass uns herausfinden, ob ich das auch weiterhin behaupten kann.«
    Die Frau, die sie am Treppenabsatz erwartete, hatte kurze silberne Haare, in denen eine seitliche Strähne violett gefärbt war. Sie war klein, robust gebaut und hatte eine energische Stimme. Jonas’ gesenkter Kopf, der beim Betreten der Küche hoffnungsvoll in die Höhe ruckte, stellte ihre Interpretationsfähigkeit vor keinerlei Herausforderungen. Kurz darauf wanderte eine Portion Milchreis in die Mikrowelle.
    Tim und Kirsten hatten sich an einem blauen Plastiktisch in der Küche niedergelassen, der gerade einmal für drei Personen Platz bot. Schmisse und Abstumpfungen zeichneten die grüne Front und die Kanten von Schubladen und Küchenschränken, zeugten von intensivem Gebrauch. Die Kühlschrankwand verschwand unter einer Collage selbst gemalter Kinderbilder, in der Mitte thronte das Porträt eines eineiigen Zwillingspaars. Es war nicht zu unterscheiden, ob es sich bei den Kindern um Jungen oder Mädchen handelte. Die Küche verfügte über keinen Vorhang, man sah direkt auf die leere Straße vor dem Haus und die Fenster gegenüber. Auf dicht gehängten Regalen reihten sich Gewürze und Gläser, darunter ein Einmachglas voll mit kupfernem Kleingeld.
    Es klingelte an der Tür. In der Mikrowelle kochte gerade die Milch auf, weshalb Idunn Osmund Kirsten bat, die Tür für sie zu öffnen. Tim hatte die Toilette aufgesucht.
    An der Eingangstür hing ein weiteres Bild, noch von Weihnachten. Es zeigte einen selbst gemalten, überdimensionierten Weihnachtsmann vor einer hüfthohen Tanne. Auf die offen nach oben gerichtete Hand des Nikolauses war eine Postkarte mit Eindrücken von Oslo im Winter geklebt. Kirsten schloss daraus, dass Idunn Osmunds Familie auf dem Festland lebte. Sie öffnete die Tür.
    Der bärtige Hüne füllte den gesamten Türrahmen aus. Seine Erscheinung ließ den Gang schrumpfen und die Decke herabkommen. Das Gesicht mit der breiten Nase und dem dichten Bart war diesmal sauber, dafür aber genauso grimmig wie bei ihrer letzten Begegnung in der Kohlemine. Er hob eine Hand und drückte die Tür auf, die Kirstens Händen entrissen wurde und gegen den Türstopper knallte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
    »Idunn«, knurrte er. Aus der Küche ertönte ein antwortender Ruf. Der Riese bückte sich, um etwas aufzuheben, das neben der Tür außerhalb von Kirstens Blickwinkel stand. Einen Moment lang dachte sie, er würde nach einem Prügel greifen oder einer Waffe. Doch der Riese drängte sich an ihr vorbei, unbeeindruckt, ob sie beiseitetreten oder von ihm umgerammt werden würde. Zurückstolpernd presste Kirsten sich mit dem Rücken gegen die Wand im Flur, trotzdem streifte seine Schulter ihre Stirn. In der Hand schwenkte er zwei Pakete Mineralwasserflaschen an ihr vorbei in Idunns Küche.
    »Tusen takk, Lennart.« Idunn Osmund wies mit der Hand unter das Fenster, wo Lennart die Getränke abstellte. Tim trat aus der Toilette in den Gang, Kirsten packte ihn am Arm und flüsterte ihm panisch ins Ohr: »Der Typ da, er weiß, dass ich Fredriks Schwiegertochter bin. Er …«
    »Kirsten und Tim«, stellte Idunn Osmund im selben Moment vor. »Und Jonas.«
    Der Hüne machte keine Anstalten, irgendjemanden zu begrüßen. Er brummte etwas. Schmelzender Schnee tropfte von den Rändern seiner Schuhe auf den Fußboden. Trotz der minus dreiundzwanzig Grad trug er

Weitere Kostenlose Bücher