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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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lediglich einen Norwegerpullover und Wollhandschuhe mit abgeschnittenen Fingerspitzen. Idunn Osmund öffnete ihren Kühlschrank, nahm eine mit Alufolie bedeckte Auflaufform und reichte sie ihm.
    »Ein Kollege meines verstorbenen Mannes«, erklärte ihre Gastgeberin, kaum dass die Tür hinter Lennart zuknallte. »Er wohnt direkt unter mir. Er hilft mir manchmal. Ich darf nicht schwer heben, wissen Sie?«
    Kirsten unterdrückte den Impuls, die Wohnungstür von innen zu verriegeln. Bei der Gelegenheit musste sie feststellen, dass sie noch immer Tims Arm umklammert hielt. Erschrocken ließ sie ihn los. Tim krempelte den Ärmel hoch. Unter der Wolle und dem langärmeligen Shirt hatten Kirstens Fingernägel Halbmonde in sein Fleisch gebohrt.
    »Was ist los?«, flüsterte er.
    »In der Mine … Der Mann … Plötzlich kam er auf mich zu, aus der Dunkelheit. Ich war hinter den anderen, allein. Ich hatte ihn vorher schon gesehen. Es war einfach …«
    Jonas krähte, ob der Milchreis denn jetzt fertig sei.
    Sie rieb sich mit beiden Handballen über die Augenbrauen. »Ich erzähle es dir später.«
    Idunn Osmund stellte eine dampfende Tasse Tee vor Kirsten. Kamillenblüten schwammen darin, dem aufsteigenden würzigen Geruch nach nicht die einzige Zutat. »Sie sind so blass, Sie werden bestimmt krank«, sagte sie. Ihr Englisch holperte. Tims Angebot, Norwegisch zu sprechen und er würde übersetzen, nahm sie sofort an.
    »Ihr Mann«, brachte Tim dann auch gleich selbst das Thema zur Sprache, »Karl-Gustav, er hat für Store Norske gearbeitet, nicht wahr? Wie ich schon am Telefon erwähnt habe, sind wir wegen Fredrik Stolt hier und wegen des Unglücks, das sich damals in einer Prospektionsgrube außerhalb Longyearbyens ereignet hat. Erinnern Sie sich daran?«
    »Natürlich erinnere ich mich. Mein Karl ist damals zwei Tage lang gar nicht mehr nach Hause gekommen. Ich war sehr besorgt. Er war nämlich vor Ort, als es passiert ist. Plötzlich rumpelte alles, und dann hat ihm die Druckwelle den Dreck um die Ohren geblasen. Er war im Schacht, wussten Sie das? Glücklicherweise nahe am Ausgang, nicht einen Kratzer hat er abgekriegt. Die ganze Nacht waren sie damals auf den Beinen. Haben keine Minute Pause gemacht. Schwächere Männer, die sind umgefallen vor Erschöpfung, aber mein Karl, der hat immer weitergemacht. Waren ja seine Freunde da drin. Herausbekommen haben sie sie dann doch, jawohl. Hat zwei Tage gedauert.«
    »Es sind Männer gestorben.«
    »Ja. Gute Männer.«
    »Und Ihr Mann hat den damaligen Grubeningenieur Fredrik Stolt verantwortlich für das Unglück gemacht?«
    Plötzlich war sie auf der Hut. Die Hand, die das Zimtglas hielt, schwebte über Jonas’ Kopf, der Milchreis dampfte vor ihm auf dem Teller, ein weißer Berg. »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Ein Journalist. Er hat damals Interviews mit den Beteiligten geführt. Wir haben seine Aufzeichnungen eingesehen.«
    »Der Unfall wurde untersucht. Es wurden nie Vorwürfe gegen Fredrik Stolt erhoben, im Gegenteil.«
    »Trotzdem war Ihr Mann anderer Meinung. Wir wüssten gerne, weshalb.«
    Sie hatte Jonas einen Teelöffel gereicht, er verlangte jedoch einen Suppenlöffel. Kirsten zog warnend die Augenbrauen hoch, woraufhin ihr Sohn sich eilig in sein Essen vergrub. Idunn Osmunds Finger schälten mit geübten Griffen eine Orange; die Schnitze legte sie an den Rand von Jonas’ Teller.
    »Es war von Anfang an klar, dass die Mine schwierig zu betreiben sein würde. Zu weit abseits. Es war unsinnig, die Grube überhaupt zu prospektieren, das hat mein Mann ihnen gleich gesagt. Aber Fredrik Stolt, der hatte ja nur dieses herrliche Kohleflöz vor Augen. Weil es so leicht abbaubar sei. Er legte eine Kosten-Nutzen-Rechnung vor, oder wie das heißt.« Sie wartete, bis Tim übersetzt hatte, bevor sie hinzufügte: »Dann gab es da noch den anderen Toten. Magnus Lund. Er wurde zusammen mit Fredrik Stolt verschüttet.« Sie seufzte. »Ein schöner Mann, Magnus. Hat allerdings die Weiber hier gegen sich aufgebracht, weil er eine Russin geheiratet hat. Kam nicht gut an, dabei war sie nett. Gute Manieren. Die Frauen hier, die sind auch nicht besser als anderswo. Eher schlimmer, man kann ihnen ja nicht entkommen. Magnus’ Frau und ich, wir waren befreundet, sie hat mich zur Patin ihrer Tochter gemacht. Nicht offiziell, ich bin ja eine Heidin. Aber inoffiziell. Ein so konzentriertes Kind, ganz der Vater.«
    »Ingrid«, platzte es aus Kirsten hervor. »Sie meinen Ingrid, nicht wahr? Die

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