Ins Leben zurückgerufen
sprechen.«
»Kein Problem«, sagte Dalziel.
»Gut. Dann sagen Sie mir, wo das Karzinom sitzt.«
»Ihnen was? Das Karzinom? Das ist doch Krebs?«
»Ja.«
»Nein«, sagte Dalziel mit Nachdruck. »Da muß ein Mißverständnis vorliegen. Krebs ist es nicht.«
Es war eine Sache, wenn er seiner Ex einen gerechten Anteil an Wehwehchen wünschte, doch selbst sein nachtragender Charakter schreckte abergläubisch davor zurück, ihr Krebs anzuhängen.
»Kein Krebs? Was dann?«
»Hämorrhoiden«, sagte Dalziel. »Nach innen wachsende Hämorrhoiden. Sie können ernst sein.«
»Das ist wohl wahr«, sagte Ms. Amalfi. »Aber ich fürchte, daß Sie etwas durcheinandergebracht haben, Mr. Dalziel. Das Allerdale ist eine Krebsklinik, deren Ruf unübertroffen ist, freue ich mich, sagen zu können.«
Sie war eindeutig verblüfft, daß ihm ein solcher Fehler unterlaufen war, als wäre jemand hinter einem Bankschalter um Bier gebeten worden.
Er sagte: »Es tut mir leid. Es war diese Freundin, eigentlich mehr eine Bekannte, Miss Kohler. Ich habe sie über die Klinik reden hören und muß sie falsch verstanden haben. Sie kennen sie wahrscheinlich. Eher kleines Mädel. Sehr dünnes Gesicht, graumeliertes Haar. Ich glaube, sie war kurz vor mir hier.«
Bei diesem Grad an Subtilität hätte sein Vorstoß vielleicht bei einem zurückgebliebenen Kleinkind Erfolg haben können. Ms. Amalfi bedachte ihn nur mit einem langen kühlen Blick.
»Der Name sagt mir nichts«, erwiderte sie im Aufstehen. Obwohl er Autorität gegenüber so resistent war wie Cissy Kohler anfällig, führte sie ihn dennoch durch die Tür, durch das Foyer und in Richtung Ausgang.
Doch bevor sie ihn auf die Straße komplimentieren konnte, schwang die Tür weit auf, und Scott Rampling kam herein.
Dalziel erkannte ihn sofort. Nicht, daß Thatcher unrecht gehabt hätte. Zwischen dem kahl werdenden, fülligen Mann mittleren Alters mit den kalten Augen und dem blonden amerikanischen Sunnyboy auf Mickledore Hall lagen Welten. Doch Dalziel hatte neben jenem Jungen gesessen und das frische Gesicht beobachtet, während Rampling Tallantires Fragen beantwortete, und diese Eindrücke waren für einen ehrgeizigen jungen Kripobeamten so unauslöschlich wie die einer romantischen Liebe für einen Dichter.
Er sah, daß das Erkennen gegenseitig war. Und unerwünscht. Aber Dalziel spüren zu lassen, daß er unerwünscht sei, war, als wolle man einen hungrigen Hund mit einem Rinderknochen verscheuchen.
»Da hört mir aber doch alles auf!« rief er begeistert. »Mr. Rampling, wenn ich mich nicht täusche. Bei Gott, was für ein Zufall. Es ist wie lange her? 27? Ja, es muß 27 Jahre hersein, seit wir uns trafen.«
Er schüttelte Rampling die Hand und wartete interessiert auf dessen Reaktion.
Um Rampling Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, an seiner Reaktion war nichts auszusetzen.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Dalziel? Ich habe heute morgen Ihr Bild in der Zeitung gesehen und mich gefragt: Ob das wohl derselbe ist? Seitdem ist eine Menge Wasser den Bach hinuntergeflossen, was? Wir waren beide ein ganzes Stück jünger damals. Sind Sie dienstlich hier oder zum Vergnügen?«
»Hauptsächlich zu meinem Vergnügen, hoffe ich«, sagte Dalziel. »
Hier
natürlich nicht. Will sagen, hierher kommt man nicht, weil es einem Spaß macht. Nein, hier habe ich nur kurz vorbeigeschaut.«
Er ertappte Rampling, wie der einen kurzen Blick zu Ms. Amalfi warf, und in der Glastür sah er ihr winziges Kopfschütteln. Vor der Tür entdeckte er ein Pärchen keilförmiger Männer, die ihn wie Dobermänner anstarrten. Ihm fiel ein, daß Rampling ein sehr wichtiger Mann geworden war.
»Es tut mir leid, daß ich jetzt nicht mehr Zeit habe, mit Ihnen zu reden, Mr. Dalziel«, sagte Rampling. »Ich bin gerade auf dem Sprung zu einem kranken Kollegen, danach habe ich eine Reihe Sitzungen. Aber es wäre schön, über die alten Zeiten zu reden. Warum rufe ich Sie nicht an, wenn ich abschätzen kann, ob ich Zeit habe, und wir genehmigen uns in aller Ruhe ein Glas, bevor ich mich wieder nach Washington aufmache?«
»Das wäre großartig«, sagte Dalziel mit größtmöglicher Begeisterung. »Ich habe gehört, daß Sie für einen Spitzenjob nominiert sind. Glückwunsch.«
»Das ist freundlich von Ihnen. Auf Wiedersehen, Mr. Dalziel.«
Er schritt auf die Tür zu, die ins Innere der Klinik führte. Ms. Amalfi folgte ihm, hielt inne, um einen Blick zurück auf Dalziel zu werfen, der am Ausgang stand und wegen
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