Ins Leben zurückgerufen
des prasselnden Regens seinen Mantel zuknöpfte. Er lächelte und winkte.
»Leben Sie wohl, meine Liebe. Und vielen Dank.« Dann verließ er das Gebäude. Zufrieden folgte sie Rampling.
Dalziel kam wieder ins Foyer.
»Entschuldigung«, sagte er zu der Dame am Empfang. »Ich habe vergessen, Scott, Mr. Rampling, etwas zu sagen. Wie lange bleibt er, wissen Sie das?«
Er hatte keinen Zweifel, daß er zum Staatsfeind Nummer eins avancieren würde, sobald Ms. Amalfi mit ihr gesprochen hatte, aber im Augenblick kalkulierte er damit, in ihren Augen keimfrei zu sein, weil er mit jemandem wie Mr. Rampling offenbar auf vertrautem Fuß stand.
»Es wird nicht sehr lange dauern«, sagte sie. »Mr. Bellmain darf nur 15 Minuten Besuch haben.«
»So schlecht steht es um ihn?« sagte Dalziel. »Der arme Teufel. Kriegt er eine Menge Besuch? Familie? Freunde?«
Es war ein plumper Versuch. Sie sagte kühl: »Möchten Sie Mr. Rampling eine Nachricht hinterlassen?«
»Ja. Sagen Sie ihm, daß er vergessen hat, mich nach dem Namen meines Hotels zu fragen.«
Er schrieb es auf. Es wäre wohl nicht nötig gewesen, hatte er den Verdacht. Er ging wieder nach draußen und passierte die beiden Leibwächter, die ihn höchst mißtrauisch beäugten.
»Wampe rein, Brust raus, Jungs! Man weiß nie, von wem man beobachtet wird.«
Ein Taxi fuhr vor, und eine ziemlich pummelige Frau stieg aus, deren Gesicht hinter einer dunklen Brille und einem hochgestellten Kragen verborgen war. Dalziel hatte zuviel damit zu tun, daß er ihr Taxi erwischte, um groß auf sie zu achten, aber als sie mit einem Nicken an den beiden Männern vorbeiging, kam sie ihm irgendwie bekannt vor. Ein alter Filmstar vielleicht?
Er gab dem Taxifahrer die Adresse von Waggs’ Wohnung.
»Und fahren Sie so, als sei ich eine Flasche Nitroglyzerin«, fügte er hinzu.
»Äh?« sagte der Mann verständnislos.
Dalziel sah sich den Namen auf dem Ausweis an. Er wies etwa 50 Buchstaben auf, von denen die meisten Konsonanten waren.
Er sagte: »Nichts für ungut, mein Lieber.«
An seinem Ziel angekommen, war er so glücklich wie ein Weltumsegler, der wieder festes Land unter den Sohlen fühlt. Er rechnete beinahe damit, daß Linda Steele ihm auflauerte, aber falls dem wirklich so war, machte sie es mit großem Geschick. Auf dem Gehsteig entdeckte er jedoch Cissy Kohler, die mehr Wasser hinter sich aufwirbelte als ein Wasserskier.
Er zögerte nur einen Moment, bevor er seinen Entschluß gefaßt hatte. Ein Gauner auf freiem Fuß blieb noch immer ein Gauner, und ein Bulle auf Urlaub blieb noch immer ein Bulle. Und an ihrer Beziehung änderten auch die Autos auf der falschen Straßenseite nichts, wenngleich sie ihn daran erinnerten, daß er ein wenig behutsamer vorgehen sollte als auf den Gehwegen Mid-Yorkshires. Also ließ er seine Hand gerade fest genug auf ihre Schulter fallen, um ihr das Schlüsselbein zu prellen, aber nicht zu brechen.
Er war überrascht, daß sie sich nicht wehrte. Wie Rampling hatte sie ihn erkannt, aber das war noch lange kein Grund. Im Gegenteil, würde er denken.
Vielleicht wußte sie, daß Waggs und ein paar Schlägertypen von Hesperides in der Wohnung auf sie warteten? Doch als sie die Wohnung betraten, war nichts zu hören, und er hatte das Gefühl von Leere.
Sie drehte sich zu ihm um, und zum ersten Mal sah er sie deutlich. Die Haft hatte sie bis auf die Knochen abmagern lassen. In der Fernsehsendung hatte er sie nur kurz gesehen und war sich des vollen Ausmaßes ihrer Veränderung nicht bewußt geworden. Sie war nicht nur drei Jahrzehnte älter geworden. Von der jungen Frau, deren Welt 1963 zusammenbrach, war schlichtweg nichts mehr übriggeblieben. Mit Ausnahme vielleicht der Augen. Sie sahen ihn an wie die Fenster eines verfallenen Hauses, mit derselben Leere wie damals, als er mit dem leblosen Körper von Westropps Tochter in den Armen wieder an die Oberfläche des Sees gekommen war.
Damals lief ihr Wasser das Gesicht hinunter, und nun lief wieder Wasser, tropfte ihr von Wangen und Kinn auf den teuren Teppich.
»Trocknen Sie sich ab«, sagte er scharf. »Ich kann nasse Frauen nicht ausstehen.«
»Das ist eine Frage des Geschmacks«, sagte sie rätselhafterweise.
Aber sie machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Er hörte, wie sie die Tür abschloß und die Dusche anstellte. Das paßte ihm gut in den Kram. Rasch durchsuchte er das Wohnzimmer, fand aber nichts von Interesse. Er stieß eine Tür auf. Ein Schlafzimmer. Im Schrank nur männliche
Weitere Kostenlose Bücher