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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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dauert höchstens eine halbe Stunde. Und nach all den Jahren kommt es doch auf eine halbe Stunde nicht an, oder?«
    »Nein.«
    »Braves Mädchen.«
    Damit ging er. Sie schloß die Tür ab, drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und dachte über Jay nach. Sie hatte das Gefühl, daß er Zeit schinden wollte, nicht nur, weil er einen Grund dafür hatte, sondern auch, weil ihn jetzt, kurz vor dem Ziel, eine Lähmung vor dem entscheidenden Schritt überkommen hatte. Sie konnte das gut nachempfinden, denn ihre Großspurigkeit war nur aufgesetzt. Sie verstand nur nicht, warum es ihm so ging wie ihr.
    Neugier für die Beweggründe anderer Leute war, wie die Sorge um ihr Äußeres, ein bösartiges Gewächs, das sie schnellstens ausreißen sollte. Sie drückte ihre Zigarette aus und zog sich an. Für ihr Make-up brauchte sie eine ganze Weile, denn als sie in den Spiegel schaute, sah sie, daß sie weinte. Sie würde nur aufhören können, wenn sie herausfand, warum sie weinte – was nicht so schwierig war. Sie weinte um das schemenhafte Wesen, das sie aus dem beschlagenen Spiegel des Badezimmers angeblickt hatte.
    Nachdem ihr das klar war, trug sie mit ruhiger Hand ihr Make-up auf, prüfte, ob sie auch im Morgengrauen, bevor die Sonne aufgegangen war, zu den Lebenden gerechnet werden würde, und ging hinaus, um dem Spuk ein für allemal ein Ende zu bereiten.

Zwei
    »Es ist kein Dolmetscher nötig, um zu erraten, was diese Unholde sagen wollen. Sie haben nur einen Gedanken im Kopf, und der ist Unfug und nächtliches Morden.«
    H allo?« brüllte Dalziel. »Bist du das? Wie kann man denn anständige Leute zu einer so idiotischen Zeit anrufen? Ich habe noch nicht einmal gefrühstückt.«
    »Tut mir leid«, sagte Pascoe. »Aber ich hatte es gestern abend schon einmal versucht. Zweimal. Das erste Mal hieß es, Sie wären noch nicht angekommen, und das zweite Mal, Sie gingen
spazieren

    »Du hättest eine Nachricht für mich hinterlassen können.«
    »Damit Sie wieder zu nachtschlafender Zeit zurückrufen? Wohl kaum«, flüsterte Pascoe und hielt den Hörer mit der Hand bedeckt. Wield, der am Nebenanschluß mithörte, grinste.
    »Hallo! Bist du von der Stange gefallen? Was ist denn so wichtig, daß es nicht bis nach dem Essen warten kann?«
    »Eine ganze Menge. Ich sage Ihnen, Sie werden staunen.«
    Pascoe berichtete kurz von seinem Gespräch mit Mrs. Friedman und las den Brief von James Westropp vor. Dann erzählte er Dalziel von seinem Besuch in Harrogate, wie sie die Leiche von Miss Marsh gefunden hatten und was danach kam.
    »Dann hat Wieldy zwei und zwei zusammengezählt und ist zum Beddington College gefahren …«
    »Wieldy? Der mischt jetzt also auch mit, was? Und du läßt ihn auch noch auf eine Schule los? Mein Gott, die Pimpfe könnten doch einen Schaden fürs Leben abkriegen!«
    Pascoe warf dem Sergeant einen kurzen Blick zu und verzog um Verzeihung heischend das Gesicht.
    Wields Antwort bestand in der leicht obszönen Geste, für die man einen Finger benötigt.
    Pascoe sagte: »Warten Sie ab, bis Sie hören, was er herausgefunden hat. Wissen Sie, wer 1976 dort Schüler war, als Marsh die Kohler im Gefängnis besuchte?«
    »Kannst du mich nicht was Schwieriges fragen?« schnaubte Dalziel verächtlich. »Kann doch nur der junge Philip Westropp gewesen sein. Liegt doch auf der Hand. Und die Marsh dachte bei sich: Holla, da möchte ich doch mal wissen, ob die kleine Kohler Kontakt zu ihrem alten Boß hat, und wenn nicht, wieviel sie dafür wohl springen lassen würde.«
    Pascoe streckte dem Telefon die Zunge raus und sagte: »Ja, zu dem Schluß sind wir auch gekommen. Warum Miss Marsh allerdings davon ausging, es könne sich lohnen, verstehe ich nicht. Viel Geld konnte die Kohler doch nicht gehabt haben, und was brachte die Marsh überhaupt auf den Gedanken, daß die Kohler löhnen würde?«
    »Mein Gott, kaum bin ich ein paar Tage weg, und schon wird Ihre Birne weich«, seufzte Dalziel. »Egal, was die Kohler hatte, als man sie einlochte, es lag doch wahrscheinlich auf der hohen Kante und hat Zinsen gebracht. Wo sie sich rumtrieb, gab’s nicht viele Möglichkeiten, Geld auszugeben, oder? War vielleicht ein ganz nettes Sümmchen. Egal, Miss Marsh war eine echte Schottin. Kleinvieh macht auch Mist. Gilt übrigens auch für gute Ermittlungsarbeit, aber das versuche ich euch ja schon seit Ewigkeiten einzubleuen.«
    »Warum ging die Marsh davon aus, die Kohler wolle den Kontakt wiederaufnehmen?« ließ Pascoe sich

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