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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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langen Zeit, die seither verstrichen ist, nicht mehr weiß, was ich damals mithörte und was ich hinterher erfahren habe. Es wurde jedoch innerhalb von kurzer Zeit mehrmals angerufen, was bei Tallantire Regungen von Zorn bis Frohlocken auslöste. Wahrscheinlich informierte man ihn auch über die beiden Gutachten, die im Prozeß so heftig angegriffen wurden. Nach der Auffassung des einen Pathologen verlief die Wunde leicht nach unten und nicht, wie man bei dieser Art des Selbstmords erwarten würde, waagrecht oder leicht nach oben. Und die Experimente im Polizeilabor hatten erbracht, daß es unwahrscheinlich war, daß jemand nach dem ersten Schuß noch genug Druck hätte entwickeln können, um den zweiten abzugeben.
    Nun hatte Tallantire endlich neben seinem Instinkt auch einen triftigen Grund, die Ermittlungen als Mordermittlungen weiterzuführen.
    »Ich will die Kohler sprechen!« knurrte er den Mann mit dem harten Gesicht an. »Warum zum Teufel dauert es so lange, sie aufzutreiben?«
    Sie verließen die Bibliothek. Aus Angst, wir könnten etwas verpassen, folgten Wendy und ich ihnen. Ums Haus wimmelte es von Polizisten. Tallantire sprach mit einem uniformierten Beamten, während unser Freund mit den Pfefferminzkugeln bis ans Ende des wackeligen alten Stegs ging, der in den See hinausragte. Er schien die kleine Insel mitten im Wasser zu mustern. Sie war von Trauerweiden bestanden, deren hängende Zweige einen natürlichen Vorhang bildeten. Cissy Kohler hatte die Insel Schatzinsel getauft, und wir hatten am Samstag, als sie mit uns dort hingefahren war, ein herrliches Spiel gespielt, während Miss Marsh auf einem Stuhl auf dem Rasen saß und auf die Kleinen aufpaßte.
    Nun ging auch ich ein Stück den Steg hinunter und musterte die Insel. Ich erblickte ihn als erster. Unter dem Weidenvorhang lag der flache Halbbogen eines Kahns. Ich rannte los, weil ich bei meinem neuen Freund Punkte sammeln wollte, doch auch er hatte ihn entdeckt.
    Er legte die Hände an den Mund, um einen Trichter zu bilden, und brüllte lauter, als ich je eine menschliche Stimme vernommen hatte: » MISS KOHLER !«
    Bei diesem Schrei schienen alle Vögel innerhalb einer Meile mit einem Kreischen in die Lüfte aufzusteigen. Dann wurde alles ebenso rasch totenstill. Die Menschen um den See erstarrten. Selbst der Wind in den Bäumen erstarb. Und langsam, als folge er eher dem Ruf, als daß er von menschlicher Hand vorwärts gestoßen worden wäre, schwang der Bug des Kahns unter den Weiden hervor. Den Umriß der Frau konnten wir sehr gut erkennen, nur von den Kindern war nichts zu sehen.
    Dann hörte man den Mann mit dem harten Gesicht erneut.
    »Kommen Sie zurück ans Ufer. Ihre Zeit ist abgelaufen!«
    Ich mußte lachen, denn genau das rief immer der Mann vom Bootsteich in der Nähe des Parks, wo wir wohnten. Doch was dann geschah, war alles andere als lustig, auch wenn hinterher keine zwei Zeugen dasselbe gesehen hatten. Einige sagten aus, Cissy Kohler habe versucht, unter die Weiden zurückzugleiten. Andere, sie habe das Paddel ins Wasser gestoßen, weil sie zum gegenüberliegenden Ufer habe fliehen wollen. Wiederum andere behaupteten, sie habe das Boot absichtlich zum Kentern gebracht, um lieber im Wasser als durch den Strang zu sterben. Meinen jungen Augen kam es so vor, als habe sie sich in den Zweigen verheddert und sei dann gekentert.
    Der Mann am Ende des Stegs stieß ein sehr rüdes Wort aus, dessen Gebrauch meine Mutter mir nicht gestattete, riß sich die Schuhe von den Füßen, warf sich ins Wasser und machte sich mit einem eindrucksvollen Kraulen auf den Weg zur Insel. Draußen beim Boot konnten wir nur einen Kopf sehen, den von Cissy Kohler. Er verschwand, als sie untertauchte. Beim Auftauchen hatte sie etwas im Arm. Sie versuchte den Kahn mit der anderen Hand aufzurichten, doch es gelang ihr nicht. Als der Polizist bei ihr eintraf, klammerte sie sich am Rumpf des Kahns fest. Im Arm hatte sie den kleinen Philip. Nun tauchte der Polizist, und er tauchte noch einmal, während seine Kollegen zum Bootshaus rannten, um ein weiteres Boot und einen alten Stechkahn zu Wasser zu lassen. Bis sie zur Insel kamen, hatte der Polizist das kleine Mädchen, Emily, nach oben geholt. Doch es war zu spät.
    Man brachte die drei ins etwa 20 km entfernte Krankenhaus. Dort bestätigte sich, daß der Junge durchkommen würde. Die kleine Emily war tot.
    Bei der Verhandlung versuchte der Verteidiger es so darzustellen, als habe Superintendent Tallantire mit

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