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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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konnten?« verlangte mein Vater zu wissen.
    »Ganz einfach«, erwiderte Tallantire. »Es kann nur der falsche Schlüssel gewesen sein. Einer, der dem Original ähnlich genug war, um auf den ersten Blick dafür gehalten zu werden, bei dem jedoch an einigen Zacken etwas abgefeilt war. Mehr braucht es nicht.«
    »Doch als Westropp einen Versuch unternahm …«
    »
Er
bekam den richtigen Schlüssel«, sagte Tallantire.
    Und nun muß den Anwesenden die volle Bedeutung dessen, was er gesagt hatte, aufgegangen sein. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille.
    Dann fuhr Tallantire fort: »Vielleicht sollte ich Ihnen mitteilen, daß wir es nicht mehr mit Spekulationen zu tun haben. Wir haben ein volles und ausführliches Geständnis von einem der Täter dieses schrecklichen Verbrechens …«
    Er machte eine wirkungsvolle Pause und fuhr fort: »Miss Cecily Kohler. Sie hat voll und ganz mit uns kooperiert, und wir bringen sie nun zur weiteren Befragung in die Stadt. Sir Ralph, ich muß Sie bitten, uns zu begleiten, da ich glaube, daß auch Sie uns bei unseren Ermittlungen helfen können.«
    Wenn es Tallantires Absicht gewesen war, eine schuldige Reaktion in der besten Tradition zu bewirken, muß er von seinem Erfolg überwältigt gewesen sein.
    Mickledore sagte: »Was? Sie sagen, Cissy habe …? Aber sie … Herr im Himmel, das ist ja völlig verrückt!«
    Und dann rannte er los.
    Lärm und Verwirrung waren so groß, daß ich einen kurzen Blick wagte. Mickledore war durch die Tür der Bibliothek entkommen. Tallantire schrie: »Haltet ihn auf!« Der Polizist mit den Pfefferminzkugeln setzte ihm nach, man hörte verklingende Schritte und Geräusche im ersten Stock. Dann herrschte Stille.
    Tallantire sagte: »Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß Sie in Kürze abreisen werden. Bitte stellen Sie sicher, daß Sie einem meiner Beamten die Adresse hinterlassen, unter der Sie zu erreichen sind, denn es könnte sein, daß ich noch weitere Fragen an Sie habe. Ich danke für Ihre Mitarbeit. Guten Tag.«
    Und somit ging er. Wendy und ich waren inzwischen sehr aufgeregt und sehr erschreckt. Obwohl wir nicht alles verstanden hatten, wußten wir, daß dies eine der Gelegenheiten war, bei denen die Anwesenheit von Kindern strengstens untersagt ist, und deshalb wagten wir nicht, uns schon von der Stelle zu rühren. In der Bibliothek herrschte tiefe Stille, aber es war die Stille des Schocks, nicht der Leere. Durch das Fenster konnten wir die Polizeiautos vor dem Haus parken sehen. Am hinteren Fenster des dritten Fahrzeugs entdeckte ich ein fahles Gesicht, das ich für Miss Kohler hielt. Eine Weile später kam Mickledore zwischen zwei Polizisten durch den Haupteingang heraus und wurde zum zweiten Auto gebracht. Vor dem Einsteigen wandte er sich noch einmal halb um, als wolle er Mickledore Hall noch ein letztes Mal ansehen. Dann wurde er in den Wagen geschoben. Schließlich erschien Tallantire und setzte sich auf den Beifahrersitz des ersten Fahrzeugs.
    Nun setzte sich eine grimmige Prozession in Gang. Mehrere Meilen war kein Hindernis zu erwarten, doch Tallantire stellte Blinklichter und Sirenen an, vielleicht als letzte Geste des Triumphs über die Lebensweise und die Angehörigen einer Schicht, von der ich sicher bin, daß er sie verachtete. Ich beobachtete sie, wie sie die lange Auffahrt hinunterfuhren, konnte sie bald nicht mehr sehen, aber noch immer hören, als sie unten in der Baumallee am Fluß ankamen, und erspähte noch einmal die Lichter, als sie die gewundene Straße auf der anderen Seite des Hügels hinauffuhren. Dann waren sie über dem Kamm, und schon bald war das Sirenengeheul tief in den nächsten Tälern begraben, und es war vor Mickledore Hall so still wie im Inneren.
    So endete meine direkte Verwicklung in den Mordfall auf Mickledore Hall. Wie ich bereits zu Beginn sagte, besser hätte das Verbrechen nicht sein können, es hätte auch nicht schlimmer sein können; nicht besser, weil Cissy Kohler ihre Rivalin zwar aus dem Weg räumen wollte, jedoch nicht aus diesem Grund in den Mord verwickelt wurde, sondern aus einer tiefen, altruistischen und letztendlich zerstörerischen Liebe zu einem wertlosen Mann; schlimmer hätte es nicht sein können, weil Mickledores einziges Motiv kalte, berechnende, selbstsüchtige Habgier war. Vielleicht sind Sie der Auffassung, daß man auf einen Mord die Wertung »nicht besser« nicht anwenden darf, egal, wie es um das Motiv bestellt ist. Doch bedenken Sie das Folgende. Cissy

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