Ins Leben zurückgerufen
Geräusch. Und was geschah dann?«
»Mein erster Gedanke galt natürlich den Kindern, und ich sprang in aller Eile aus dem Bett. Ich vermute, daß ich vergessen hatte, wo ich mich befand, und bin an die Stelle geeilt, wo daheim, ich meine in Haysgarth, dem Familiensitz der Partridges, die Tür gewesen wäre. Das Ergebnis war, daß ich in einen Kleiderschrank rannte und mir die Nase prellte.«
»Was haben Sie da gemacht?«
Sie sah ihn amüsiert an und meinte: »Ich habe das getan, was jeder normale Mensch getan hätte. Ich habe geschrien und mich auf mein Bett gesetzt. Meine Nase fühlte sich an, als wäre sie gebrochen, jedenfalls hat sie geblutet. Ich holte ein paar Papiertaschentücher von meinem Nachttisch und ging dann zur Tür.«
»Diesmal fanden Sie sie mühelos?«
»Ich mache selten einen Fehler zweimal«, sagte sie mit plötzlicher Schärfe, die einen kurzen Blick auf die strenge Kinderfrau freigab, die sich hinter der polierten Oberfläche verbarg. »Und außerdem hatte ich inzwischen das Licht angemacht. Ich bin auf den Flur getreten und habe Miss Kohler gesehen.«
»Cissy? Was hat sie denn auf dem Flur gemacht?«
»Sie stand vor ihrer Zimmertür.«
»Als wäre sie gerade aus ihrem Zimmer gekommen, wollen Sie sagen? Als sei sie von demselben Geräusch gestört worden wie Sie?«
»Möglich. Eigentlich sehr wahrscheinlich. Doch als sie mich sah, kam sie geradewegs zu mir. Ich muß entsetzlich ausgesehen haben. Wenn ich Nasenbluten habe, verliere ich immer unverhältnismäßig viel Blut. Sie brachte mich in mein Zimmer, und ich legte mich auf mein Bett, während sie mir das Blut abwusch. Sie machte das sehr gut, daran erinnere ich mich, wie ich es von einem ausgebildeten Kindermädchen erwarten würde. Sie versicherte mir, daß der Knochen nicht gebrochen sei, und sagte, ich solle mit einer kalten Kompresse liegen bleiben, bis die Blutung vollständig zum Stillstand gekommen sei. Dann ging sie, damit ich mich ausruhen konnte.«
»So daß sie wahrscheinlich Ihr Blut an den Händen hatte, als William Stamper sie auf dem Flur sah?«
»Es sieht ganz danach aus, ja.«
»Haben Sie das Superintendent Tallantire gesagt?«
»Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, aber ich gehe davon aus.«
»In Ihrer schriftlichen Aussage steht nichts davon.«
»Ich habe es natürlich der Polizei überlassen zu entscheiden, was wichtig war und was nicht.«
»Doch später, hatten Sie da nicht das Gefühl, daß Sie etwas sagen sollten …?«
Miss Marsh musterte Waggs mit einem Blick, unter dem Äpfel im Fall innegehalten hätten.
»Etwas sagen? Was denn? frage ich Sie. Ein Mord war begangen worden. Miss Kohler hatte gestanden, daß sie bei der Ausführung die Komplizin Sir Ralphs gewesen sei. Wir standen alle unter beträchtlichem Schock. Ich habe der Polizei alles gesagt, was ich wußte.«
»Doch als sich dann beim Prozeß zeigte, daß der Staatsanwalt Miss Kohlers Auftauchen im Korridor mit blutigen Händen so aufbauschte, Blut derselben Blutgruppe wie Pamela Westropp, Gruppe B, was natürlich auch Ihre Blutgruppe ist, wurde es Ihnen da nicht unwohl in Ihrer Haut?«
»Hätte ich es gewußt, vielleicht, obwohl die Tatsache, daß sie gestanden hatte, immer noch sehr gegen sie sprach. Doch zur Zeit des Prozesses war ich auf Antigua. Lord Partridge, damals noch Mr. Partridge, hatte seine Familie fast unmittelbar, nachdem wir Mickledore Hall verlassen hatten, zum Gut eines Cousins gebracht, um der Belästigung durch die Medien zu entgehen. Er mußte natürlich nach England zurück, wegen seiner parlamentarischen Pflichten, aber seine Frau sowie ich und die jüngeren Kinder blieben bis Januar im Ausland.«
»Haben Sie den Prozeß nicht am Radio oder in den Zeitungen verfolgt?«
»Nein. Lady Partridge legte keinen Wert darauf, über die Vorfälle in Mickledore Hall zu sprechen. Sich völlig herauszuhalten schien der beste Kurs.«
»Und die Verteidigung hat nicht versucht, Verbindung mit Ihnen aufzunehmen?«
»Es kam ein Brief von irgendwelchen Anwälten. Ich bin dem Rat meiner Arbeitgeber gefolgt und habe erwidert, ich sähe mich außerstande, meiner Aussage noch etwas hinzuzufügen.«
»Doch nun, da Sie alle Tatsachen des Prozesses kennen, alle Details des Beweismaterials, was empfinden Sie nun, Miss Marsh?«
Die Kamera näherte sich ihr, bis ihr Gesicht den gesamten Bildschirm ausfüllte. Ihr Teint hielt dieser Musterung aus der Nähe sehr gut stand, und ihre Augen, ohne zu blinzeln auf das Objektiv
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